Schlager-Herbst

jimmy

Es herbstelt überall, aber manche Branchen sind schon viel weiter! „… im Herbst blüh’n erst die Rosen, im Herbst reicht erst der Wein …“, so singt es Ernst Neger in seinem Lied: „Auf einmal bist du 50.“

Ich hab‘ das bei einem meiner zahlreichen Heurigenvisiten während des Sommers anlässlich einer Geburtstagsfeier mit anhör’n müssen und habe mir gedacht – wo hat der den Blödsinn eigentlich her? Die Rosen blüh’n – zumindestens in meinem Garten – schon seit Monaten, und wenn der Wein nur im Herbst reifen würde, was macht er denn dann das ganze Jahr über, wenn er in den Flaschen und Fässern darauf wartet, getrunken zu werden?

„… d’rum kann man auch mit 50 auch noch jung und glücklich sein …“ – ab da stimmt’s dann wieder, denn es sagte schon Roland Neuwirth im Seitenblicke-Interview anlässlich seines 50. Geburtstages auf die blöde Frage: „Wie geht es Ihnen mit dem älter werden?“ – „… wos wollen’s denn, bis vierzig war’s sowieso oarsch!“

Also ich glaube die Texter der Schlagerbranche haben da keinen Genierer, wenn es darum geht, wenn es darum geht, uns die Welt in bunten Bildern zu erklären – und wir als dankbare Rezipienten machen uns auch kaum die Arbeit, den Wahrheitsgehalt zu hinterfragen. Oder haben Sie sich schon einmal die Landkarte zur Hand genommen, und nachgeschaut, wo Kalkutta liegt? Eben! Das liegt nämlich am Hugli und nicht am Ganges, so wie uns ein gewisser Herr Torriani in dem gleichnamigen Lied weismachen will. Und dann der Matthias Reim: „Verdammt, ich lieb‘ dich – ich lieb‘ dich nicht, verdammt ich brauch dich – ich brauch dich nicht, verdammt ich will dich, ich will dich nicht …!“ Ja, was will denn der eigentlich?

Man kann den „älteren Herren“ wie etwa Neger und Torriani ja noch zugute halten, dass sie sich gemäß der Tradition der Chansoniers daran hielten, uns das Leben in einer blumig-bildlichen Sprache zu schildern, um in uns Bilder blühender Rosen und edler Weine anstatt Runzeln, Herztabletten und Altersdiabetes zu wecken, wenn wir an die ach-so-schreckliche Zeit des Älterwerdens denken. Die alten Herren haben wenigstens noch versucht, die Populärmusik mit einem Hauch von Stil zu versehen, um sich nicht ganz für den Blödsinn genieren zu müssen, den sie da machten, aber seit einiger Zeit sind die Messlatten des Anspruches schon so weit unten, dass sich sogar der „verdammt-ich-lieb-dich-Text“ wie eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Thema der „sinnlichen Gewissheit“ nach Hegel (das war auch ein Philosoph, wie Matthias Reim) liest, wenn man ihn mit aktuelleren Werken vergleicht.

Zum Beispiel mit Mickie Krauses Ballermann-Hit: „Düp Düp“! Beispiel gefällig? Bitte: „Alles klärchen am Bärchen, alles klar im BH, alles roger in Kambodscha – alles wunderbar. Ich lass‘ den BimBam baumeln – alles fit im Schritt, nur das Höschen klemmt am Döschen – und alle machen mit.“ Refrain: Düp, düp düdüüüüp düdü düdüp düüüp. Dü dü, düdüp düüüp.

„Jede Gesellschaft hat die Kultur, die sie verdient.“ Wenn der Jürgen Klauke mit dieser Aussage recht haben sollte, dann möchte ich gar nicht wissen, wofür wir mit dieser Art von Kultur bestraft werden sollen, weil sooo schlimm können wir ja nicht gewesen sein! Oder …?

von Jimmy Schlager

 

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