Der verwunderte Traktorfahrer

jimmy

Manche Leute haben mehr Arbeit als sie bewältigen können. Mein Freund, ein großer Landwirt adeligen Ursprungs, kann davon ein Lied singen, würde das Singen in adeligen Kreisen eine standesgemäße Ausdrucksform sein …

Auf seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt er zwei Traktorfahrer. Saisonal.
Die beiden Herren beackern und bestellen die herrschaftlichen Felder und Wälder nach allen Regeln agrarischer Kunst. Wenn sie dann am Abend, nach einem langen Tag im Sitz ihres Arbeitsgerätes in der Stille der Traktorhalle ihre Eindrücke revuepassieren lassen, dann kann es schon passieren, dass sie ins Schwärmen kommen und vor lauter Begeisterung das eine oder andere Gläschen miteinander trinken. Ja, und sowas kann mitunter ganz schön lang dauern …

Irgendwann nach so einer Besprechung passierte es einst, dass einem dieser Traktorfahrer auf seinem Nachhauseweg eine Polizeikontrolle in die Quere kam, in deren Verlauf ihm der Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer entzogen wurde.

Das wäre in vielen Teilen der Welt eine schlimme Sache, weil der Führerscheinentzug für Berufschauffeure – und das ist ein Herr Traktorfahrer ja – quasi die Berufsunfähigkeit symbolisiert.

In der wunderbaren Welt des Weinviertels ist das nicht ganz so schlimm. Hier gibt es die Möglichkeit, sich von der Bezirksbehörde eine „Ausnahmegenehmigung“ für den landwirtschaftlichen Betrieb ausstellen zu lassen. Man darf dann quasi auf dem eigenen Grund und Boden – oder auf dem des Landwirtes bei dem man angestellt ist – mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen auch ohne Lenkerberechtigung fahren. (Gerüchte, wonach fast 90 % aller Weinviertler Traktorlenker mit so einer Ausnahmeregelung unterwegs seien, werden hier weder thematisiert, noch bestätigt!)

Der verzweifelte Chef machte sich mit seinem Traktorfahrer – der gar nicht so verzweifelt wirkte – also auf in die Bezirkshauptstadt, um sich um so eine Ausnahmeregelung zu bemühen. Im Zuge der behördlichen Amtshandlung erfuhr der erstaunte Arbeitgeber, dass der beim Traktorfahrer vorgenommene Alko-Test einen Alkoholgehalt von mehr als 2,2 Promille ergeben hatte. Da liegen andere schon am Boden oder im Spital … oder im Nirvana.
Auf der Heimfahrt vom Amt, die ebenso sprachlos verlief wie die Hinfahrt, konnte er es sich aber dann doch nicht verkneifen zu fragen: „Sagen Sie, Herr … (Namen sind Schall und Rauch), 2,2 Promille, das ist schon ganz schön viel … was haben Sie denn da getrunken?“ Die Antwort kam nicht gleich.

Es war, als würde sich der Befragte zum ersten Mal mit diesem Thema auseinandersetzen. Nichts in ihm erkannte einen Sinn, sich der Räusche vergangener Tage zu erinnern (es gibt auch keinen Sinn! Anmerkung des Autors). Sein Denken beanspruchte mindestens den Weg von zwei bis drei durchquerten Ortschaften, bis er sich zögerlich mit einer Analyse dieses Spätnachmittages in der Traktorhalle meldete. Und er tat dies sehr, sehr langsam und zögerlich und brachte diese Aufzählung mit einer Ausdruckslosigkeit vor, mit der Volksschulkinder gerne Gedichte vor versammelter Klasse aufsagen: „Nau jo, … mir haum drunga … oanohoib Doppler … a hoibe Kisten Bier … und vielleicht … a viertel-teulige Flaschen Schnaps …“.

Wieder herrschte im Wagen betretenes Schweigen, aber dann kam noch ein Nachsatz! Und mit diesem Nachsatz könnte er sich konkurrenzlos um die Weinviertler Ehrenbürgerschaft bewerben. Er drehte sich zu seinem Gesprächspartner hin und teilte mit irritierter Überzeugung mit: „Aber mir is aber ned viakemma wia waun i an Rausch g´hobt hätt!“ Die weitere Fahrt verlief gesprächslos …

Nachsatz in eigener Sache:

Ich habe versucht, das Gespräch für die mundartsprachlich unkundige Leserschaft ins Hochdeutsche zu übersetzen. Das macht aber keinen Spaß. Weder beim Lesen, noch beim Schreiben. Der tiefere Sinn dieser Aussage erschließt sich eben nur in dieser Sprache, deren feinsinnige Schönheit ihr leises Verschwinden für mich noch trauriger macht. Sollten sich also Ihnen, geneigte Leserin oder Leser, der wunderbare Witz dieser Geschichte auf Grund des Dialektes nicht erschließen, dann empfehle ich entweder einen Sprachkurs oder den Besuch einschlägiger ländlicher Gasthäuser. Oder eine andere Zeitung …

Jimmy Schlager – ewig Euer!

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