Am Sturmfest

Der Herbst ist ja die wichtigste Zeit im Jahreskreis. All die namensgebenden Früchte unseres Viertels hatten im Sommer genügend Sonnenstunden, um sich mit Süße zu füllen. Diese Süße wird dann aus ihnen herausgepresst und hilft, den Gärungsprozess in Gang zu bringen.

ERZÄHLT VON JIMMY SCHLAGER

 

Aber Winzer sind von Natur aus neugierig, und sobald sich auch nur die ersten Spuren von Alkohol im Most finden lassen, beginnen sie schon an ihm herumzukosten. Das macht eigentlich auch einen Riesenspaß und den teilen die Weinbauern gerne mit ihren Freunden und Gästen. Zu diesem Zwecke werden sogenannte Sturmfeste ausgerichtet. Und bei so einem Fest darf natürlich gute Musik nicht fehlen! Vor einiger Zeit durfte auch ich mit meiner Band beim Poysdorfer Sturmfest die Gäste mit unserer Musik begeistern. Im malerischen Ambiente des Poydiums „performten“ wir bei herbstlichem Wetter auf offener Bühne.

Für alle Unkundigen sei hier kurz erklärt: Der Genuss von „Sturm“ (das ist dieser noch nicht fertig vergorene Most) ist nicht so einfach, wie man sich das als Laie vielleicht vorstellt. Der Name „Sturm“ hat auch nichts mit dem herbstlichen Wetter zu tun, es geht hier eher um den Verdauungseffekt den dieser auslösen kann. Der werdende Wein ist ja ein lebendiges dynamisches Produkt, das sich in seiner Gärarbeit nicht gerne aufhalten lässt. Dem Most ist somit auch egal, ob er getrunken wird, oder nicht – es wird auf jeden Fall weitergegoren! Der Gärprozess ist temperaturabhängig – wird es zu kühl, kann er auch gestoppt werden. Und so freut sich der Sturm fast diebisch, wenn er von uns getrunken wird. In uns hat es ja bekanntlich in gesunder Verfassung knapp 37 Grad und da fühlt sich der gärende Most so richtig wohl. Während er sich beim Trinken noch leicht süßlich gibt, entwickelt er sich in uns zu einer wahren Alkoholbombe! Und was er so an Ballaststoffen mit sich führt, legt er gezielt und heimtückisch in unserem Gedärm zum Abtransport bereit.

Sowas muss man wissen, wenn man sich dem Genuss hingibt. Auf so ein Verhalten kann man vertrauen. Und Vertrauen ist wichtig im Leben. Wie schwer Misstrauen die Lebensqualität beeinträchtigen kann, habe ich am Sturmfest in Poysdorf erfahren.

Zum Sturmtrinken gehört irgendwie auch die körperliche Erleichterung, und zu diesem Zwecke wurden unter der Bühne des Poydiums großzügige Toiletten für die Gäste eingerichtet. Und während wir oben unsere Seele leerspielten, erleichterten sich die Besucher eine Etage tiefer.

Um einen reibungslosen Ablauf (oder Abgang) zu gewährleisten, wurde das Klo von zwei Damen betreut, die an einem kleinen Tischchen im Vorraum in trauter Zweisamkeit einen kleinen Unkostenbeitrag einhoben. Den bezahlt man hier auch gerne, denn ein sauberer stiller Ort erleichtert das Erleichtern.

Als ich in der Pause schließlich auch das stille Örtchen aufsuchen musste bemerkte ich zwei Auffälligkeiten: Das Örtchen war gar nicht so still wie vermutet (siehe oben: Ballaststoffe und so …) und die beiden Damen saßen gemeinsam am Tisch und aßen jede für sich eine Portion Schnitzel mit Erdäpfelsalat. Ich war baff! Während ich mir in dieser Geräusch- und Geruckskulisse schon überlegt hatte, auf das Atmen zu verzichten, delektierten sich die beiden genüsslich an Gebackenem.

Es war für mich ein schönes Beispiel, wie wichtig es im Leben ist, sich gegenseitig zu vertrauen. Das erleichtert das Leben, das Atmen und auch den Genuss so mancher Speisen …

Mahlzeit – Ihr Jimmy Schlager

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