Herrgott, schau obe: Norbert Schneider

Ob es den lieben Gott wirklich gibt oder nicht, diese Frage beschäftigt die Menschheit ja nun schon wirklich etwas länger. Interessant wäre auch, wie er denn ausschauen könnte! Ist es der ältere Herr mit weißem Rauschebart, ist es ein smarter Banker oder Wirtschaftskapitän mit Anzug und Krawatte, ist es ein Weiser aus dem Morgenland oder vielleicht gar eine Frau? Das Schöne an der Sache ist ja: Glauben kann man, an wen und an was man will!

In unserem Fall gehen wir jetzt deshalb einmal davon aus, dass der liebe Gott ein Amerikaner mit afrikanischen Wurzeln ist, womöglich in der Gegend um Baton Rouge im Bundesstaat Louisiana beheimatet, der seinen Geist in der Welt verteilt. Und weil es dem lieben Gott herzlich wurscht ist, wohin er seinen Spirit wandern lässt, hat er sich anscheinend gar nichts dabei gedacht, als er eine gröbere Portion davon ins Weinviertel schleuderte, in der Hoffnung, dass es schon irgendwo ankommen werde.
 
Ja, und wie es der Teufel so will, ist dieser Geist in dem verträumten Weinort Prottes gleich einem angehenden Kindergärtner in die Arme gelaufen und hat diesen verträumten Burschen bis tief in die Seele infiziert. Damit dieser Virus aber auch zum Ausbruch kommen konnte, bedurfte es der Hilfe eines Musiklehrers in der Kindergartenschule in Mistelbach.
 
Der präpädagogische Schrumpelunterricht von zwei- bis dreiakkordigen Kinderliedern wurde dort von Lehrer Stefan Trummler für den infizierten Protteser Schüler mit Bluesrythmen aufgefettet und erweitert. Das hatte zur Folge, dass die Kindergartenschule schnell abgebrochen wurde, und sich der junge beseelte, talentierte und neugierige Norbert auf den Weg machte, sich seiner Bestimmung zu widmen.
 
In fleißigem Selbststudium lernte und erübte er sich alles, was man für eine große Karriere braucht und kam schnell an den Punkt, an dem er überzeugt war, dass es in Sachen Bluesgitarre für ihn wohl nicht mehr allzu viel zu entdecken gäbe. Ja, und dann ging er auf ein Blues-Konzert und bemerkte, dass der liebe Gott anscheinend doch etwas freizügiger beim Verteilen seines Spirits umgegangen ist. Schnell bemerkte Norbert, dass der Gitarrist auf der Bühne (es war Hannes Kasehs, der heute übrigens in der Band von Norbert Schneider spielt) Sachen spielte, die in Norberts Musikwelt noch gar nicht vorkamen. Und schon war die Welt wieder ein Stückerl größer geworden …
 
Mit diesem Wissen, wurde aber auch die Welt im idyllischen Prottes ein wenig zu klein für ihn. Die paar Blueskonzerte im Jahr im 3er-Wirtshaus in Zwerndorf – damals die einzige kulturelle Außenstelle der östlichen Weinviertler Welt – konnten den Hunger von Norbert Schneider nach den Wundern, die es zu entdecken gab, nicht stillen.
Und wenn man schon nicht nach New Orleans auswandert, dann geht man wenigstens nach Wien. Genauer gesagt in das damalige „Papas Tapas“, in dem er sich schnell einen fixen Platz als „Aushilfsgitarrist“ bei Bands aus aller Welt sicherte. „Da hab ich am meisten gelernt!“, erinnert er sich, denn die waren oft recht gnadenlos mit dem jungen Bluesburschen, der sich aber mit viel Beharrlichkeit und Geschick immer wieder durchkämpfte und lernte und lernte und lernte.
 
 
Das ist jetzt alles schon eine Weile her. Viel hat sich seither verändert. Einige Bands sind gekommen und auch wieder gegangen. Auf den vielen Umwegen, die ein Musikerleben anbietet, ist die eigene Spur die man zieht, immer eine recht eigenwillige und auch schwer planbare Größe. Und auch davon kann Norbert Schneider das eine oder andere Lied singen. Seine musikalische Welt wurde weiter und größer und ging bald über die Landesgrenzen hinaus bis nach Deutschland und in die Schweiz, wo er schon viele Konzerte gespielt hat.
 
Irgendwann kam er an den Punkt, wo auch mit der Sprache seine Grenzen erreicht waren. Hatte er bisher fast ausschließlich in englischer Sprache getextet und gesungen, bemerkte er nach einiger Zeit, dass sich die Geschichten, die er erzählen will, in der ihm angeborenen Sprache besser ausdrücken ließen. Plötzlich hören die Leute nicht mehr nur zu, sondern sind auch dabei. Die Bilder werden klarer, eindeutiger und feiner. Ein Hauch von Skepsis wehte sicher mit bei dieser Entscheidung und findet sich im Titel der ersten Mundart-CD „Schau ma mal“ wieder. Aber da sich auf diese Weise der eine und andere Amadeus–Award erspielen ließ, dürfte wohl auch diese Entscheidung an der Weggabelung ihre Richtigkeit bewiesen haben.
 
Der Weinviertler Dialekt – wenn er nicht gerade in der Ui-Mundart praktiziert wird – ist ja in Wirklichkeit auch viel schöner, als das raunzerte Wiener Gegenstück, mit dem er immer wieder verglichen wird. Aber das merken zum Glück nur die wenigsten …
 
Ob und wo er „daheim“ ist, kann Norbert Schneider nicht genau sagen. Es gibt so viele Plätze auf der Welt, wo er gerne ist und wo er sich wohl fühlt, das lässt sich jetzt nicht unbedingt an einem einzigen Ort festmachen. Ein Platz, an dem er auf jeden Fall ganz sicher ist, ist die Bühne! „Da weiß ich, es kann mir nichts passieren!“
 
Wenn man sich mit Norbert zu einem Fototermin im Herbst in Prottes trifft, dann merkt man gleich, dass der (von uns zu Beginn dieses Artikels angenommene)  liebe Gott das Wetter passend dazu gestaltet. Die Fotosession führt uns dann zur Tankstelle vom „Onkel Fritz“, bei der der junge Norbert damals seine noch schmalen Bluesmusiker-Gagen aufbessern durfte. Das war ihm lieber, als der Kellner-Job im elterlichen Lokal – „Des woa nix fia mi …“ -, von dem er nach wenigen, herrlich gescheiterten Versuchen zum Wohle aller wieder abgezogen wurde – „Mir san do immer de Hoah in de Töller eineghängt, des haum de Leit ned so woin …“.
 
Im lauschig-romantischen Hof des „Schabel-Heurigens“ merkt man dann auch gleich, mit wem man unterwegs ist. Allseits wird freudig gegrüßt und die Seniorchefin lauscht dem für die Fotos improvisierten Konzert aus nächster Nähe. Nicht nur weil sie schlecht sieht, nein, sondern auch „Hean tua i des a gern!“. Ein älterer Herr bittet uns, noch eine halbe Stunde zu bleiben, weil er schnell nach Hause fahren muss, um einen Liedtext zu holen, den er erst kürzlich von Gott-weiß-woher bekommen hat. „Bleibts ma no då, i kumm glei mit den Liad!“
 
Naja, wir müssen sowieso noch den frisch gepressten Most und den schon halbvergorenen Sturm kosten, uns wird schon nicht fad werden … Und unser Fotoshoo-ting motiviert die restlichen Gäste dann noch zu diversen Selfies und auch ein Foto mit den Lesehelfern wird kurzerhand in der Gaststube arrangiert. Und immer wieder muss sich Norbert gegen angebotenen Speck, Blunzen und sonstige Verkostungsangebote wehren.
 
So vergeht schnell die Zeit und mittlerweile ist auch der Herr mit dem eigenhändig abgeschriebenen Liedtext wieder da. Hergeben kann er den aber nicht, weil er nur diese eine Abschrift hat. Norbert fotografiert kurzerhand den Zettel mit dem Handy und mit einer Kiste Wein bepackt sind wir dann auch schon wieder unterwegs in Richtung Tankstelle. „Irgendwie bin ich immer ein bisschen wehmütig, wenn ich hier herkomme!“, sinniert er auf dem Weg in seine, mittlerweile zur Heimat gewordene Wienerstadt.
 
Aber allzuviel Zeit hat er momentan eh nicht, um sich dem Müßiggang hinzugeben! Der ehemalige Manager von Georg Danzer Franz Christian „Blacky“ Schwarz hat ihn gefragt, ob er nicht ein paar Danzer-Lieder neu aufnehmen mag, da sagt man halt nicht Nein. Und die Promotion für das neue Album ist gerade voll im Gang und hält ihn mit diversen Live-, Radio- und Fernsehterminen schwer auf Trab.
 
Wenn Sie, geneigte Leserin oder Leser, einmal Lust auf authentische Musik in feinster Form haben, dann gehen Sie zu einem Konzert von Norbert Schneider! Auf der Bühne ist er in seinem Element und es macht immer eine Riesenfreude, ihn bei seiner Lieblingsbeschäftigung zu beobachten.
 
Dabei hat man irgendwie das Gefühl, dass auch der eingangs angenommene Herrgott aus dem Mississippi-Blues-Delta wohlig grinsend von seinem Wolkerl herunterschaut und sich freut, dass sein Geist mit so viel Gefühl in die Welt getragen wird …
Winter 2016
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