Beisser & Gössinger

Ein Kulturausflug von Jimmy Schlager

Bevor mir noch wer draufkommt, gleich einmal eine Entschuldigung: Ich kenn‘ mich mit Musicals leider gar nicht aus. Ich mein, ich war schon einmal bei einem. Im Publikum. Das war gar nicht so schlimm … Eine Freundin und begnadete Musicaldarstellerin und Sängerin hat mich dereinst eingeladen. Die haben alle schön gesungen und die Tänzerinnen waren wunderbar anzuschauen. Aber darum geht’s hier nicht. Das Duo, das ich Ihnen hier vorstellen möchte, hat ja auch nicht unbedingt was mit Musical zu tun. Zumindest nicht nur.

 

Beisser | Gössinger, so nennen sie sich nicht nur, weil sie so heißen, sondern weil sie sich als gleichwertig nebeneinander sehen. Der Erstgenannte schuldet diesen Umstand daher eher dem Alphabet und nicht einer anderen hierarchischen Überlegung. Sie sehen sich als Partner und Arbeitskollegen in all ihren gemeinsamen Betätigungen. Da ist kein Platz und vor allem keine Zeit für Befindlichkeitsgeplänkel. Da heißt’s konzentrieren und hackeln! Und fleißig sind sie. Wirklich! Sie schreiben Lieder, basteln Geschichten drumherun, organisieren und konzeptionieren Bühnenauftritte und Shows mit bis zu hundert Akteuren. Erfinden neu, schreiben um und schreiben neu und dies mit einer immer wieder aufkeimenden Lust und Freude. Und mit Neugier.

Der gegenseitige Respekt ist fundamentiert auf großer Wertschätzung und Anerkennung für das jeweilige Talent des anderen. Und mit der Zeit haben sie sich gegenseitig kennen und schätzen gelernt. Man weiß um die Befindlichkeiten des Gegenüber, erkennt die Punkte wo man anknüpfen kann, und wo man in der Lage ist das gemeinsame Werkstück zu verfeinern und zu ergänzen. Und Werkstücke gibt es bereits genug.

Am Anfang war das Musical.

Kennen tut man sich im Weinviertel. Speziell die Musikszene ist jetzt nicht so unüberschaubar wie das weite Land. Da weiß man oft voneinander. Roman Beisser und Stefan Gössinger wussten also schon voneinander, als sie sich bei den Arbeiten zu „Jeremias“, einem Musical von Stefan Gössinger, am Anfang des neuen Jahrtausends trafen.

In den darauffolgenden knapp 22 Jahren hat man dann die künstlerische Beziehung zu einer persönlichen Freundschaft ausgebaut, die mittlerweile schon gemeinsame Familienurlaube überlebt. Immer wieder sind sich die beiden Protagonisten in den musikalisch-künstlerischen Armen gelegen und halfen sich gegenseitig über diverse inspirative Klettersteige hinauf zu den lichten Gipfeln ihrer Vorstellungen.

Das liest sich hier vielleicht malerischer als es ist, denn in der Realität kann das schon so ausschauen, dass der Beisser dann zum Gössinger kommt und sagt: „Heast, i glaub i hab da was!“ 2010 war das so, als Roman mit der Idee einer Weihnachtsgeschichte hirnschwanger ging und sich hilfesuchend an Stefan wandte. Dieser reagierte durchaus sensibel auf den Versuch, die Adventsgeschichte mit der Musik und den Instrumenten aus der Gegend der Welt zu erzählen, in der sich dieses angeblich zugetragen haben soll. „Ich hab da wirklich jede Zeile und jeden Ton so gelassen, wie es der Roman geschrieben hatte! Ich hab da nur ergänzt und ausgeschmückt“, sagt der sehr einfühlsame Komponist.

Bei der aktuellen Platte „Zeitfenster“ war das dann doch schon ein wenig anders. Der Roman hat sich die Zusammenarbeit quasi zitzerlweise erbeten. „Immer wenn ein Lied fertig war, ist er dann mit dem nächsten dahergekommen …“, resümiert Stefan heiter und meint: „… wie wenn er mich immer und immer prüfen wollte!“

Hier galt es dann aber nicht, der noblen Zurückhaltung zu frönen, hier war dann doch echte Zusammenarbeit gefragt und so ist es schließlich auch geworden. 14 Lieder haben sie auf CD verewigt und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und weil ich zu Beginn dieses Absatzes von einer „Platte“ geschrieben habe: Ja, das stimmt auch so! Sie haben diese Lieder auch auf eine Schallplatte pressen lassen! Dieses Medium kriecht in letzter Zeit immer mehr in die fast ausgetrockneten Flussbette des physischen Tonträgerverkaufes und versucht, die erschreckende Leere würdeloser Gratisstreamings mit kunstvoller und menschlicher Haptik zu überwinden und den Hörern wieder das Gefühl zu geben, dass die akustische Wahrnehmung nur ein Teil des Kunstwerks ist. Es ist „etwas zum Angreifen“ geworden. Und es ist wahrscheinlich die erste Schallplatte von Weinviertler Künstlern seit der vielgeliebten „Mugl-Company“, denn damals waren die CDs noch in den Kinderschuhen …

Beisser | Gössinger: Zeitfenster
Foto: Reinhard Gössinger

 

„Ich bin ein Plattenkind“, bekennt Roman Beisser fast träumerisch und erzählt über persönliche Erinnerungen und Erlebnisse mit den damals so hoch geschätzten Vinylscheiben. „Ich bin da eher der Kassettentyp gewesen“, ergänzt Stefan Gössinger auch hier das Duo, denn er hat seine selbstgemachten „Tapes“ noch gut in Erinnerung, mit denen er damals schon seine Spielleidenschaft unterstützen konnte.

Künstler sind in erster Linie ja auch Menschen und das soll man natürlich mitbekommen. Und wie sagte schon der große Kollege Udo Lindenberg dereinst: Das Auge hört mit!

Und gerade weil das so ist, basteln die beiden gerade an einem Bühnenprogramm, bei dem sie ihre Lieder präsentieren. Das soll nämlich nicht nur ein Abspielen von Liedern werden. Dazu haben sie viel zu viel Musicalerfahrung in den Knochen. „Es wird ein Musical,“ grinst Roman Beisser, „weil wenn wir es so nennen, dann kommen gleich mehr Leute. Ein Musical mit nur zwei Darstellern, mit nur zwei Musikern, mit nur zwei Sängern und vielleicht auch mit nur zwei Tänzern. (Und ja, vor allem das Tanzen würde mich jetzt interessieren) Warum auch nicht. Große Ensembles gibt’s eh schon genug. Es ist Zeit für „small is beautiful“!

Da steckt dann auch nicht so viel Arbeit dahinter. Nicht, dass sie das schrecken würde, denn das Arbeiten sind sie gewohnt. Beide üben ihre wirklich umfangreichen künstlerischen Tätigkeiten nämlich neben ihren Brotberufen aus. Jeder von ihnen hat sich ein berufliches Standbein gefunden, das ihm genug Bewegungsfreiheit verschafft, um sich der Leidenschaft zu widmen. Und faul sind sie wirklich nicht …!
Die Platte ist fertig und wird bei Live-Auftritten präsentiert. An Musicalproduktionen wird gearbeitet und wenn man sich dann ab und zu daran erinnert, dass da ja noch eine Familie ist, bei der man sich einbringen sollte, dann kommt man irgendwie halt doch ab und an drauf, dass dem persönlichen „Zeitfenster“ vielleicht manchmal auch mit ein bisschen liebevoller Pflege und ein wenig familiärem Fensterputzmittel wieder zu besserem Durchblick verholfen werden kann. „I waaß eh, dass es vüü is“, reüssiert Stefan, um sofort schmunzelnd zu ergänzen: „aber i hackel aafoch gern!“ Und das glaubt man ihm auch. Bei Roman Beisser war es ein Jobwechsel, der etwas Druck aus seinem Arbeitsalltag genommen hatte. „Jetzt hab i wieder mehr Zeit für die wichtigen Sachen“, schmunzelt auch er.

Und wichtig sind die beiden und ihre Lieder auf jeden Fall! Sie sind verbunden mit dem, was sie tun und dies ist verbunden mit der Gegend, in der sie leben. Mit all ihren Facetten und all den möglichen und unmöglichen Wundern, die einem hier über den Weg laufen können, wenn man in der Lage ist, dies zu erkennen und sich dem hinzugeben.

Die beiden tun das mit Leidenschaft. Gehen Sie hin, hören Sie zu und greifen Sie an, was Ihnen zum Angreifen geboten wird. Und wenn Sie keinen Plattenspieler haben, dann kaufen sie sich gefälligst einen! Sie werden sehen, in ein paar Jahren wird ihre freudige Erinnerung an die schöne Zeit des Plattenspielens der Kaufentscheidung Recht geben!

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