Stephanie Theuringer: Die Marchfeld-Pionierin

Wir sind ja schon lange bekannt für unser Faible für moderne Märchen und schicksalshafte Ereignisse. Das Zusammentreffen von mehreren günstigen Faktoren, die den Stein der Marchfelder Artischocke ins Rollen brachten, nennt Stephanie Theuringer heute ganz pragmatisch Anfängerglück.

ERZÄHLT VON LILLY DIPPOLD

 

Schon seit ihrer Kindheit hat Stephanie Theuringer ein Faible für die Artischocke. Und als Tochter des einst größten Spargelbauerns Österreichs hat sie auch eine besondere Liebe zum Garteln. Am liebsten experimentiert sie mit alten, fast vergessenen Sorten und weil das Angebot an den geliebten Artischocken in Österreich eher äußerst schmal gesät war, irgendwann eben auch mit der Gourmetdistel.

Obwohl die frostempfindliche Cynara cardunculus in südlichen Gefilden heimisch ist, fiel die erste Ernte im Hausgarten so vielversprechend aus, dass die fesche Weinviertlerin dran blieb. „Heute weiß ich, dass es einfach Anfängerglück war und mehrere Faktoren wie das richtige Saatgut und die perfekte Witterung für den Erfolg verantwortlich waren,“ lacht sie, aber wäre dem nicht so gewesen, wäre das Projekt Artischocke wohl rasch wieder verworfen worden. So aber war ihr Ehrgeiz geweckt. Und der Pioniergeist wurde Stephanie Theuringer sowieso in die Wiege gelegt, schließlich galten schon ihr Vater und ihr Onkel mit der Marke Solofino hierzulande als Spargelpioniere.

Ein Herz für Artischocken

Bereits die nächste Saison dämpfte die Euphorie der jungen Artischockenbäuerin gewaltig und es folgten noch weitere Try-and-Error-Lehrjahre. Denn Anleitungen, Unterstützung oder hilfreiche Informationen waren so gut wie nicht zu finden. Was in den Hochburgen wie Italien oder Spanien funktionierte, war auf unsere Verhältnisse schlichtweg nicht anwendbar. „In südlichen Ländern ist die Artischocke beispielsweise eine mehrjährige Pflanze, bei uns überlebt sie den frostigen Winter allerdings nicht und muss jedes Jahr neu ausgepflanzt werden“, erklärt Stephanie. Auch die Sorten, die in mediterranen Gefilden prächtig gedeihen sind kein Anhaltspunkt fürs Marchfeld. Mühsam musste da Jahr für Jahr mit Sorten experimentiert werden, um herauszufinden, welche von ihnen mit dem Weinviertler Klima zufriedenzustellen sind, auch noch schmackhafte Artischocken bilden und letztlich auch beim Konsumenten gut ankommen.

Bis heute werden auf den Raasdorfer Feldern auch Versuchskulturen angelegt, um die Feldforschung im Hause Theuringer weiter voranzutreiben. Wenngleich sich Stephanie ihr Know-how über viele Jahre mühsam erarbeiten musste, gilt sie heute aufgrund dieses reichen Erfahrungsschatzes hierzulande als gefragte Expertin rund um die Artischocke.

 

Geheimnisvolles Gemüse

Was einst im Hausgarten begann, ist mittlerweile auf eine Anbaufläche von fast sechs Hektar mit mehr als 20.000 Pflanzen angewachsen. Und das, obwohl die Artischocke hierzulande immer noch als seltenes Gourmetgemüse gilt. Beliefert wird daher auch primär die gehobene Gastronomie, das allerdings österreichweit. Im Weinviertel ist das mediterrane Gemüse bestenfalls als Pizza-Accessoire bekannt, in die heimische Gastronomie hat die hier kultivierte Distel noch kaum Einzug gehalten.

Auch die leidenschaftlichen Ab Hof-Kunden, die die neue Ernte in den Sommermonaten schon sehnlichst erwarten, haben oft einen entsprechenden Background. „Manche haben sich im Italienurlaub in die Artischocke verliebt, andere haben lange in Spanien oder Italien gelebt oder es hat sie aus südlichen Gefilden in unsere Region verschlagen“, erzählt Stephanie Theuringer, die sich deshalb auch bemüht, die Artischocke bei uns bekannter zu machen. Beispielsweise mit Kochkursen von Saporito-Koch Bruno Ciccaglione, der dabei die Zubereitung traditioneller Rezepte aus seiner Heimat Italien zeigt und den interessierten Schülerinnen und Schülern die Verarbeitung der carciofo näherbringt.

Denn die Tatsache, dass wir in Österreich kaum auf eine Kultur im Umgang mit der königlichen Gourmetfrucht zurückgreifen können, erschwert die Bemühungen, Konsumenten von ihren Vorzügen zu überzeugen. Die Hemmschwelle, nicht zu wissen, wie die Artischocke richtig vor- und zubereitet wird, ist meist ziemlich groß. Deshalb gibt es bei Theuringer für Ab Hof-Kunden auch eine bebilderte Schritt-für-Schritt-Anleitung für das fachgerechte Zuputzen der Artischocken. Weniger Probleme als wir Menschen hat da Stephanies fröhliche Flat Coated Retriever-Hündin, die sich immer wieder mal ganz ungeniert am Feld bedient, sich augenblicklich souverän zum Herzen der Leckerei vorarbeitet und sie an Ort und Stelle verputzt.

 

2014 hat Stephanie Theuringer eine Rezeptsammlung rund um die Artischocke herausgebracht, in der neben historischen Rezepten auch Köche aus ganz Österreich ihre liebsten Rezepte zum Nachkochen preisgeben. Wenn man da von Gröstl mit Artischocken und Flußkrebsen oder Artischocken-Risotto mit Prosciutto-Chips liest, kann einen schon der Gusto auf einen mutigen Probelauf mit der Unbekannten überkommen.

Noch – je nach Witterung – bis in den späten Herbst hinein gibt es die Chance auf feldfrische Artischocken am Hof der Familie Theuringer, in deren Landwirtschaft auf rund hundert Hektar auch Karotten, Zuckerrüben und Getreide angebaut werden. Stephanie jedoch bleibt ihrer Liebe für Raritäten treu und kultiviert neben Pimientos de Padrón auch seltene Tomatensorten und Erdkirschen. Und wer Artischocken probieren möchte, ohne sie selbst zu kochen, findet sie schmackhaft in Öl eingelegt im Ab Hof-Laden.

Coverstory Wein4tlerin Herbst 2016

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