Stephan Gartner: Herr der Hirsche

Man sagt ja gerne, dass jeder Topf den passenden Deckel findet. Und wenn man das Glück hat, den Werdegang von manchen Menschen nachzuzeichnen, stellt man nicht selten fest, dass diese auf Umwegen letztlich wie selbstverständlich auf ›ihrem Platz‹ landen. Stephan Gartner ist ein solcher Mensch und sein Platz ist ganz klar im Weinviertel.

gartner2Der Pfad, auf dem der junge Gartner wandelte, war rückblickend eigentlich zweigeteilt, um sich dann, vor einigen Jahren, wie selbstverständlich zu vereinen. Da war einerseits seine frühe Liebe zur Musik, die ihn schon in den kleinen Kinderschuhen zum Klavier trug. Und damit sich das Klimpern in Wohlklang entfalten konnte, sorgte Mama Gartner für die entsprechende Ausbildung. Die in späteren Jahren dafür verantwortlich war, dass man Stephan Gartner in die Kirche zum Orgelspiel bat. Aber Klavier und Orgel ähneln sich nur vordergründig, erst wer auch die Fußpedale dieses mächtigen Instrumentes richtig bedienen kann, entlockt ihm seinen besonderen Klang. Also bewarb sich der junge Gartner am Konservatorium, wo er daraufhin dann auch sechs Jahre lang das Orgelspiel studierte. Pfad zwei führte den fröhlichen Weinviertler, dessen Elternhaus in Neudorf bei Staatz steht, in die Wiener Büros. Erst in die der Landesregierung, dann in ein großes Bankinstitut. Wahre Erfüllung fand er jedoch in seinem Brotberuf nicht wirklich. Zwar blieb daneben Zeit fürs Orgelstudium und um den Chor CHORporate zu leiten, doch ein wachsames Auge blieb durchaus auch immer auf die Stellenangebote gerichtet.

SCHLOSSGESANG

1998 brachte Pfad eins noch mehr Abwechslung ins Spiel. Ein kunstsinniges Grazer Unternehmen, das mit Bautätigkeiten auf Schloss Kirchstetten beschäftigt war, feierte dort ein musikalisches Klassik-Festival, das sich großer Beliebtheit erfreute. Als sich die Steirer dann von dieser Bühne zurückzogen, hatte das Klassik-Schloss schon viele Fans gewonnen, die bereits ungeduldig auf ein Da capo im nächsten Sommer warteten. Sie ahnen es wohl schon - Stephan Gartner nahm sich der Sache an. Unterstützt von Gattin Betty und vielen Helfern nahm der Kunstfreund das Schicksal des Klassik-Festivals Kirchstetten in seine Hände. Der Verein Kultur im Schloss Kirchstetten wurde gegründet.

Mittlerweile blickt das kleinste Opernhaus Österreichs bereits auf fünfzehn Jahre Weinviertler Kulturgeschichte zurück. Große, erfolgreiche Inszenierungen haben hier schon so manche Gänsehaut hervorgerufen, doch eine Spielsaison ist Betty und Stephan Gartner noch ganz besonders in Erinnerung. „Es war unser zweites Festival und Don Giovanni stand am Programm. Wir waren fast schon verzweifelt auf der Suche nach einem passenden Ensemble. Als wir es endlich gefunden hatten, ließ uns der Zuständige dann ziemlich kurzfristig hängen. Wir hatten eine Menge schlafloser Nächte, doch – quasi im letzten Moment – ist es uns mit viel Unterstützung doch noch gelungen, die Aufführung zu sichern. Sie war dann auch ein voller Erfolg, aber der Stress im Vorfeld wird uns immer in Erinnerung bleiben“, denkt Stephan Gartner zurück an die holprigen Anfänge. Die Sache hat aber auch ihr Gutes, denn man zog daraus die Lehre, die Festivals in Hinkunft selbst zu inszenieren, um auf der sicheren Seite zu bleiben.

Nicht ohne Stolz erzählt der »Hobby-Intendant‹ von den vielen erfolgreichen Opernprojekten wie etwa La Traviata, La Nozze di Figaro oder Rigoletto, die Kirchstetten unter Freunden der klassischen Musik längst zu einem Fixpunkt im gartner3niederösterreichischen Kultursommer gemacht haben.

Doch es sind nicht nur die Opernabende, die ihr begeistertes Publikum im Kulturschloss finden, in dem Musiker und Sänger zum Greifen nah sind. Auch Klassik unter Sternen und die jährlichen Kinderopern tragen zum Erfolg des Festivals bei. „Dabei muss man wissen, dass wir hier alle ehrenamtlich an den Programmen arbeiten, sonst wäre das trotz der Förderung von Land und Gemeinde gar nicht möglich“, betont Stephan Gartner.

UNVERHOFFT KOMMT OFT

Und während sich der Weinviertler in seiner Freizeit unermüdlich für das Festivalschloss engagierte, tat sich plötzlich auch auf Pfad zwei eine neue Chance auf. Sie kam in Form eines Stellenangebotes, des Weinviertel-Festivals, für das ein neuer Geschäftsführer gesucht wurde. Die Erfahrung im Kultur-Management, die Stephan Gartner in Kirchstetten sammeln konnte, war wohl mit ein Grund, dass er sich damals unter mehr als achtzig Bewerbern durchsetzen konnte. Aber vielleicht war es ja auch einfach das Schicksal, das die beiden Lebenspfade nun so perfekt zusammenlaufen ließ?

PLATZ FÜR HIRSCHE

In jedem Fall wurde aus dem damals auf das aktuelle Festival-Jahr befristeten Vertrag wunderbare Berufung. Das heutige ViertelFestival Niederösterreich, das damals noch in jedem niederösterreichischen Viertel pro Spielsaison immer wieder neu einzelne Organisationsbüros aufbaute, wird längst unter der Obhut von Stephan Gartner zentral gesteuert, was sich in vielerlei Hinsicht als höchst vorteilhaft für diese besondere Veranstaltungsreihe erwies. Jährlich werden die mittlerweile legendären roten Platzhirsche in einem anderen Viertel ausgesetzt, um auf die unterschiedlichen Veranstaltungen regionaler Künstler und Künstlerinnen aufmerksam zu machen. Zufrieden blickt der Festivalleiter auf die vergangene Weinviertler Brandungszone zurück und freut sich gleichzeitig schon auf die nächste Saison, in der die Platzhirsche das Waldviertel bevölkern werden. Unter dem Motto Naturmaschine werden da insgesamt 72 Kulturprojekte über das gesamte Waldviertel und Südmähren verteilt, zwischen 10. Mai und 10. August stattfinden.

Im vergangenen Jahr waren die Gartners nicht nur beruflich fleißig, sondern haben auch das Elternhaus in Neudorf mit viel Liebe umgebaut und charmant restauriert. Da wurden antike Parkettdielen eigenhändig abgeschliffen und neu verlegt, alte Ziegelsteine aufgemauert und Kaminkacheln von anno dazumal von weiterher geholt und neu eingepflanzt. „Ganz fertig sind wir zwar noch nicht“, seufzt Stephan Gartner, der mit dem Ergebnis im neuen Heim aber durchaus zufrieden sein kann und sich nun langsam wieder beliebterem Zeitvertreib widmen kann. Wie dem Genießen beispielsweise. „Wir sind halt ganz typische Weinviertler“, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Wir essen und trinken gerne gut und entschleunigen dabei. Wie es sich halt fürs Weinviertel gehört.“ Genau!

Coverstory Männermagazin aus der Wein4tlerin Frühling 2014 | Fotos: Wein4tlerin

Das könnte dir auch gefallen

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.