Weinhandwerkerei Seymann: Back to the roots

Ihre Sorgen? Die können Sie getrost vor dem großen Tor ablegen. Oder auch mitnehmen – egal …

Denn sobald Sie sich in Seymanns Weinhandwerkerei niedergelassen haben und von Winzerin Nancy Lee mit herzlicher Wärme willkommen geheißen wurden, das erste Achterl Weinviertel DAC oder
Rosa Deum (eine köstliche Cuvée aus Gewürztraminer, Grünem Veltliner und Welschriesling aus dem Barriquefass) vor sich stehen haben, sind ihre sorgen ohnehin wie weggeblasen. Wenn Ihnen der Wettergott hold ist, nehmen Sie im idyllischen Bauerngarten Platz, wo Sie sich sogleich in Uromas Ära zurückversetzt fühlen und sich wundern, wie langsam hier die Zeit vergeht. Andernfalls nehmen Sie im Hofsalon Platz, wo Sie beim ersten Besuch wohl einmal eine Zeitlang damit beschäftigt sind, die vielen Eindrücke aufzunehmen — denn hier ist alles ein wenig anders. Ein Stapler wird da zum Tisch, an den Wänden die Gemälde der Hausherrin, die in ihrer früheren Heimat Kalifornien Malerei und Psychologie studierte, bunte Tischtücher, Liegestühle, alte Fauteuils — ein liebevoll zusammengewürfteltes Sammelsurium an unkomplizierter Gemütlichkeit, das seine Gäste umfängt, zusammenführt und die Welt ›da draußen‹ schnell vergessen lässt.
Wir lieben es langsam sagen Nancy Lee und Harald Seymann und vielleicht ist das diese erfrischende Erfahrung, die so sehr an Ferien erinnert. Keine hektischen Kellnerinnen, keine drängelnden Heurigengäste — alles ist sehr bewusst und deshalb auch im gemäßigten Tempo.

Übrigens nicht nur, wenn hier ausg’steckt ist. Auch beim Weinmachen arbeiten die beiden Winzer mit Verstärkung von Sohn Laurin im eigenen Tempo und im Rhythmus der Natur. Stress und Hektik mag man in der Karlsdorfer Weinhandwerkerei ganz und gar nicht. Ebensowenig wie chemische Keulen. Also besinnt man sich hier angesichts des üppigen Kräuterwissens, das Nancy Lee in vielen Jahren angesammelt hat, auf die Kraft der Natur, entspannt bei meditativen Beschäftigungen wie dem stundenlangen Einrühren von Kieselerde in Wasser und setzt auf biodynamische Landwirtschaft. So wird hier bei Sonnenaufgang vor Vollmond biodynamisch gespritzt, um die Lichtaufnahme der Pflanzen zu verbessern. Stolz zeigt uns die Winzerin die vielen Kräuter und Heilpflanzen, die im Weingarten für eine höhere Ordnung sorgen: Knoblauch und Zwiebel, Schafgarbe und Koriander sind nur einige der natürlichen Helferleins, die hier für ein gesundes Gefüge im Weingarten sorgen. So wie früher …

Glückliche Weingärten

Drei Hektar bewirtschaftet das Paar, gemeinsam mit Sohn Laurin darf es dann noch ein Hektar mehr werden. Weitere Expansionspläne gibt es jedoch keine — klein und fein ist die Devise der Seymanns, die lieber eine überschaubare Anzahl an (nummerierten!) Weinflaschen produzieren. Nicht zuletzt um auch Raum für ihre vielfältigen Projekte und Interessen zu bewahren.

Konzentration auf das Wesentliche steht hier im Pulkautal an oberster Stelle und so wird das Weinmachen für Harald Seymann zum alchimistischen Akt. »Er ist voller Leidenschaft für den Wein, ein richtiger Weinschamane«, schwärmt Nancy Lee von der behutsamen Intensität, mit der hier den Trauben begegnet wird. Handarbeit ist für die Karlsdorfer Winzer ebenso untrennbar mit dem Weinhandwerk verbunden wie Zeit, Geduld, Gefühl und Demut.

Ihre Weine nennen die Seymanns ›Flüssige Landschaft‹ und verleihen damit ihrer Liebesbeziehung zum Thema Ausdruck. Dabei war es gar keine Liebe auf den ersten Blick für Harald Seymann, der seinerzeit keinerlei Interesse am Besuch der Weinbauschule hatte. Sein Herz schlug vielmehr für die Eisenbahn und es zog ihn in die Ferne. Erst vor rund zwanzig Jahren reifte beim Filmemacher und Fotografen der Entschluss, es doch einmal mit dem Wein zu probieren.

Heute arbeiten Harald, Nancy Lee und Laurin, der die Weinbauschule in Krems absolvierte, eng Hand in Hand. Davon erzählt auch der Weinviertel DAC, der hier ›Sechs Hände‹ genannt wird, um die gemeinsame Arbeit zu unterstreichen. Auch die Hausherrin folgt ihren vinophilen Instinkten und hat aus handverlesenen, vollreifen Trauben von Blauer Portugieser und Zweigelt  den ›Sparky Pink Rosé Frizzante‹ durchgesetzt, der mit seiner leichten Perlage und dem Duft von Waldbeere, Veilchen und einem Hauch von Mandarine erfrischenden Charme versprüht und zu den unbedingten Must-try’s am Weingut zählt.

Ansonsten ist die Domäne der Hausfrau eher die Küche, in der es die passionierte Köchin liebt,  ausgefallene Kreationen zu zaubern. Wie den ›Somma-Teller‹, der den Gaumen mit einer kreativen Auswahl an Köstlichkeiten wie dem Maishuhn mit Pinienkernen, Bulgursalat, Melonen-Schafskäse-Häppchen, türkischer Karottencreme, einem Lauchsüppchen und Weinviertler Schinkenspeck einmal ganz anders verwöhnt.

Den Einschlag aus der türkischen Küche verdankt Nancy Lee einem besonders schönen Umstand — hat sie doch erst vor eineinhalb Jahren ihren Vater und damit auch ihre väterliche Ursprungsfamilie gefunden, was ein besonders berührendes Happy-end in ihrer persönlichen Lebensgeschichte bedeutet.  So entstand auch das Motto des Jahres ›Über den Tellerrand‹, das sich nicht nur kulinarisch äußert. »Es sind so viele neue Erfahrungen und Einflüsse in mein Leben gekommen, die ich jetzt für mich erst einmal verarbeiten und integrieren muss.« In der Küche gelingt diese Integration bereits ganz wunderbar, doch auch hier ergeben sich immer wieder neue Kooperationen. Wie etwa jene mit einem befreundeten Bergbauernpaar aus Vorarlberg, wo jetzt auf der Alm an einem gemeinsamen Weinkäse für das Seymann’sche Repertoire gebastelt wird.

Den ganzen Artikel finden Sie in der Wein4tlerin Herbst 2014

 Foto: © Wein4tlerin

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