Wein aus Frauenhand: Ingrid Groiss

Während in anderen Ländern Wein schon deutlich fester in weiblicher Hand ist, sind es hierzulande erst wenige Frauen, die sich dem Wein(aus)bau verschrieben haben. Aber wenn, dann ohne Wenn und Aber!

Gut Ding braucht Weile, sagt man. Bei Winzerin Ingrid Groiss trifft das gleich mehrfach zu. „Als ich zur Schule ging, gab es in Klosterneuburg kein Mädcheninternat, tägliches Pendeln war schlichtweg unmöglich und für eine eigene Wohnung war ich einfach noch zu jung“, erzählt Winzerin Ingrid Groiss von ihrem (Um)Weg.

Im Hinblick auf ihre künftige Mitarbeit im elterlichen Heurigen, den sich Mama Groiss schon so lange sehnlichst wünschte, sollte Ingrid junior eine fundierte Ausbildung mitbringen. Die Wahl fiel deshalb auf die Tourismusschule in Retz, in der die junge Weinviertlerin just an jenem Tag maturierte, an dem die Eltern den Heurigen eröffneten. Ingrid Groiss nahm fortan den ihr zugedachten Platz in dessen Küche ein und war — obwohl sie eigentlich gerne kocht — bald ordentlich frustriert.

„Ich war motiviert und wollte meine eigenen Ideen realisieren. Doch meine Kreationen stießen nur bedingt auf Gegenliebe und kaum war ich einmal nicht da, wurde die Marinade gleich wieder ›so wie früher‹ zubereitet. Mich beschlich das Gefühl, dass ich von meinem Leben nicht mehr viel zu erwarten hatte.“
Auf der Suche nach Alternativen — beseelt vom Wunsch des jungen Menschen, etwas aus dem Leben zu machen — begann Ingrid Groiss still und heimlich ein Studium an der Wirtschaftsuniversität. Zwar hätte sie sich schon für Weinbau interessiert, aber eine weitere Ausbildung war damals nur im Rahmen eines allgemeinen Boku-Studiums möglich. „Und für Ackerbau und Viehzucht habe ich mich nicht wirklich interessiert.“

Als dann der Abschluss ihres Wirtschaftsstudiums nahte, kam auch gleich das böse Erwachen: „Mir wurde schlagartig klar, dass sich eigentlich gar nichts geändert hatte — ich hatte zwar meinen Abschluss, aber meine Lebenssituation war unverändert.“

Um dem Leben die ersehnte Wendung zu verpassen, folgte Ingrid dem damaligen Mann ihres Herzens ins pralle Leben nach Berlin, wo sich für sie ein aufregender Marketing-Job bei Coca-Cola auftat. Hier genoss sie ihre Sturm-und-Drang-Zeit in vollen Zügen, ein Berufsleben voller großartiger Herausforderungen und ganz viel Spaß. Ein nächster Karriereschritt bei Anheuser-Busch Inc., dem Weltmarktführer der Bier-Branche, mit großzügigem Salär, Firmenwagen und Firmenwohnung folgte und Ingrid Groiss fühlte sich auch in der schicken Hamburger Szene pudelwohl. Jedenfalls bis zu jenem Tag, an dem man sie mit einem tollen Angebot vertraglich auf mehrere Jahre binden wollte. „Da bekam ich Angst, dass ich mich durch diese Bindung quasi ›lebenslänglich‹ verpflichten würde und keinen Ausstieg mehr aus dieser Spur finden würde. Und mir wurde plötzlich klar, dass das Leben, das ich hier führte, zwar materiell großartig war, mich aber emotional gar nicht wirklich befriedigte.“ Just als sich der nächste Spurwechsel anbahnte, startete in Österreich an der Universität für Bodenkultur endlich der erste Studienlehrgang für Weinbau. Und damit waren die Weichen auch schon gestellt.

CHIEF WINE MAKER IN CHILE

Wenngleich das Ziel immer noch nicht der eigene Betrieb daheim war, sondern „ich dachte mir, ich gehe dann als Önologin nach Chile oder nach Amerika in einen großen Konzern, wo die Rolle der Frau rund um Wein ja viel angesehener ist, als bei uns“, erinnert sich die Winzerin zurück und grinst verschmitzt.

Der elterliche Weinbau versorgte damals  neben einigen treuen Ab-Hof-Kunden  vorwiegend die vinophilen Bedürfnisse der Gäste im eigenen Heurigenbetrieb. Ingrid Groiss ortete deshalb viel Spielraum für erste eigene Weinbau-Experimente. Wäre da nicht der Generationskonflikt aufgeflammt. „Kaum war ich nicht im Keller zur Stelle, übernahmen meine Eltern ›ganz hilfsbereit‹ das Kommando über meine Weine.

Allerlei unliebsame Überraschungen der werdenden Weinmacherin folgten und zogen immer wieder Unstimmigkeiten in der Familie nach sich, die im Fiasko vom ›Gekochten Satz‹ ihren Höhepunkt fanden. „Ich hatte 2009 einen fantastischen Gemischten Satz geerntet, der sich hervorragend entwickelte, aber eben einfach eine lange Gärungszeit benötigte. Meinen Eltern erschien sie jedoch schon viel zu lange und als ich heimkam und nach meinem vielversprechenden Wein sah, musste ich entdecken, dass seiner Gärung mit dem Mostwärmer ein wenig auf die Sprünge geholfen wurde.  Bei 47° C war da nach meinen Vorstellungen nix mehr zu machen – der Wein war quasi pasteurisiert“, schaudert die Winzerin noch heute im Rückblick auf dieses schicksalhafte Erlebnis.

KEIN GEMACHTES NEST

Obgleich sich der ›Gekochte Satz‹ beim Heurigen als großer Frauenschwarm entpuppte, gab er nun doch den Ausschlag für massive Abgrenzungsgespräche. Auch wenn alle Bemühungen der Eltern natürlich immer gut gemeint waren, hatte Ingrid Groiss im nächsten Jahr darauf bestanden, von nun an ausschließlich selbst für ihre Weine verantwortlich zu sein.

Von der Oma hatte sie sich einen eigenen Weingarten erbeten, den sie auch alleine bewirtschaftete und im Keller wurde ihr Tank zur allgemeinen Tabuzone erklärt. „Erst am Ende des Jahres haben wir dann meine und meines Vaters Weine verkostet und es zeigte sich, dass sich meine Vision nun erstmals in einem ganz großartigen Ergebnis erfüllt hatte,“ erinnert sich die junge Winzerin an ihr erstes Erfolgserlebnis.

Der Wein war nun da, doch Kunden gab es noch keine. Ingrid Groiss startete als gänzlich unbeschriebenes Blatt in der Weinszene und besuchte hartnäckig einen Gastronomiebetrieb nach dem anderen, um auf ihren neuen Wein aufmerksam zu machen. „Ich hatte schreckliche Angst vor Misserfolg, doch das Gegenteil war der Fall. Innerhalb von drei Wochen war mein Tank verkauft und das Schönste daran: Alle Kunden von damals kaufen auch heute noch meinen Wein.“

Nach diesem schicksalsträchtigen Jahrgang entspannte sich die Zusammenarbeit im Familienbetrieb enorm und heute arbeiten die beiden Generationen glücklich Hand in Hand. Ingrid Groiss ist als Winzerin etabliert und ihre Weine sind nicht nur national gefragt, sondern verreisen in viele Länder dieser Welt bis nach Amerika und Japan.

„Es war natürlich nicht leicht, sich von Null weg etwas ganz Neues aufzubauen. Andererseits gab es mir die Freiheit, meinen eigenen Stil zu definieren, ohne an Bestehendem gemessen zu werden“, blickt Ingrid Groiss auf einige anstrengende, aber auch sehr erfolgreiche Jahre zurück.

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Leben im Einklang mit der Natur, auch wenn Hagel, Spätfrost und Botrytis
das Winzerinnenleben manchmal schwer machen.
Ingrid Groiss

ALLES BIO

Aktuell steht jetzt schon die nächste Herausforderung an, denn am Weingut Groiss wird gerade eifrig an der Bio-Zertifizierung gearbeitet. Der respektvolle Umgang mit der Natur und den insgesamt zehn Hektar Weingarten, die in Fahndorf, Haugsdorf und Breitenwaida liegen, ist für Ingrid Groiss seit jeher selbstverständlich. Das soll jetzt mit dem Bio-Zertifikat auch ganz deutlich unterstrichen werden.

Damit tut die fröhliche Winzerin aber auch einen weiteren Schritt zur Authentizität, denn sie ist überzeugt davon, dass die gute Basis ihrer Weine im gesunden Weingarten liegt. Von diversen Zusätzen und Aromahefen hält sie gar nichts, denn sie will nicht Wein machen, sondern ihn  bewahren, um ausdrucksstarke, sortentypische Weine mit tiefgründiger Eleganz und Charakter in die Flasche zu bringen, die die eindeutige Handschrift einer leidenschaftlichen Winzerin tragen, die ihren Weg gefunden hat.

Aus der Wein4tlerin Sommer 2016
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