Vom Schlürfen und Spucken …

jimmyWenn im Frühjahr der „heurige“ Wein präsentiert wird, werden sich wieder alle professionellen und/oder selbsternannten Weinkenner mit der Analyse der winzerlichen Kreationen abmühen. Da wird dann wieder gerochen und geschmatzt, geschwenkt und gedreht, geschnalzt und – gespuckt! Nur eines vorweg: Man spuckt nicht!

Es mag ja in manchen Kulturen und Ländern üblich sein, seinen Auswurf in der Öffentlichkeit zu verteilen, aber bei uns macht man das nicht. Zumindest nicht mit Wein!

Ja sag, wo kommen wir denn da hin? Die armen Winzer arbeiten das ganze Jahr über bei jedem Wind und Wetter, investieren Zeit und nicht wenig Geld in Ausbildungen, Kellereigerätschaften und andere Maßnahmen zur Qualitätssteigerung ihrer Rebensäfte. Dann wird bei diversen Verkostungen Wert auf eine gute Präsentation gelegt, Palais werden angemietet, Spitzenköche verpflichtet, feinste Kleidung, Schuhwerk und Schmuck werden über frisch gebadete und parfümierte Leiber gehüllt, deren Gesichter sich um Ausdruck und Würde dem Anlass entsprechend bemühen, Bischöfe und Priester ernennen höchste Würdenträger zu Weinpaten, jungfräuliche Mägde werden zu Winzerköniginnen und -prinzessinnen gekürt. Alles, um dem edlen Produkt, dem Wein, eine würdige Form zu geben.

Dieser wird in feinstem Gebinde mit kunstvoller Etikettierung gelagert, in edlen Karaffen gelüftet und in Gläsern serviert, um deren Preis man sich bei einem g’standenen Weinviertler Heurigen eine Alkoholvergiftung antrinken könnte. Und was passiert dann mit diesem Saft der Weisheit, diesem Nektar des Geistes und der Sinne, diesem wunderbaren Kunstproduk – dem Wein?

Er wird nach kurzem Geschmatze und Gegurgle in einer absolut grauslichen und abschätzigen Bewegung wieder ausgespuckt! Ja, sag gehört sich denn das? Das hat er sich nicht verdient! Und es gibt auch keine Erklärung, die so einen unwürdigen Vorgang rechtfertigen könnte! Wenn jemand Wein kosten will, ohne ihn zu trinken – ich weiß nicht, das ist wie „i wüü und kaun net“! Man erkennt ja dann nur die halben Qualitäten des edlen Getränkes! Wenn überhaupt …

Der Geruch – ja natürlich, das ist der Eindruck, der passen muss. Der Geschmack, auch wichtig. Denn je angenehmer er sich trinken lässt, desto leichter fällt die weiterführende Studie. Denn: Mit dem Abgang geht’s ja erst los!

Wie soll denn bitte, ohne zu trinken, ein Rausch entstehen? Wie soll festgestellt werden, ob der Wein auch diese Stimmungen erzeugt, wegen denen er doch hauptsächlich getrunken werden sollte? Egal, ob die Einsamkeit gelindert, die Freude gesteigert oder die Lust der Sinne geweitet werden soll, es gibt unzählige Gründe, sich zu betrinken! Wie soll man wissen, ob es möglich ist, mit diesem Tropfen die Dame oder den Herrn der Begierde samt sich selbst in Stimmung zu bringen? Wie soll man wissen, ob man sich Dank des Tröpferls auch genug Mut machen kann, um diesen Stimmungen in irgendeiner Form auch reale Handlungen folgen lassen zu können? Vom Schönsaufen will ich gar nicht erst reden! Der Rausch gehört zum Wein und der muss mitverkostet werden! Der Wein wurde gemacht, um getrunken zu werden! Der Kaugummi darf ausgespuckt werden!

Wenn man mehrere Weine verkosten will, soll man bedenken, dass die Geschmacksnerven nach einiger Zeit sowieso überfordert sind und man nicht die halbe Welt an einem Tag verkosten kann. Da muss man halt noch einmal kommen – oder, wie im Weinviertel durchaus üblich, sich jeden Tag mit der Sache auseinander setzen.

Warum die Unart des Ausspuckens beim Wein salonfähig gemacht wurde, ist mir ein Rätsel. Es ist grauslich und es ist entwürdigend. Beim Wein ist das anscheinend schick, aber ich glaube, dass niemand auf die Idee käme, in einem Restaurant die Kreationen des Küchenchefs nach dem Kauen wieder auf den Teller zu spucken und den Koch für seine Kreativität zu loben! Und mit der Erklärung, man möchte halt nicht allzu blad werden, diese Unart zu rechtfertigen …

Von Jimmy Schlager

 

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