Ironman der Kellergasse

Ein Weinviertler Triathlon „Ironman der Kellergasse“ muss zwar erst erfunden werden, aber einen Sieganwärter gibt es bereits. Die drei Disziplinen sind unterirdische Gänge graben, Kübel mit Lehm schleppen und Kuppelgewölbe bauen.

Die Lebendigkeit von historischen Bauwerken steht und fällt mit Menschen, die sich ihrer annehmen und sie mit neuem Leben füllen. Menschen, die sich in die Lebensweise von vergangenen Arbeitswelten der Vorfahren hineinversetzen und zum Beispiel die Weinviertler Weinkeller erhalten, restaurieren oder sogar noch ausbauen. Sie sind unbezahlbare Botschafter dieser kulturellen Besonderheit des Weinviertels, die ihresgleichen weltweit nicht findet.

ERZÄHLT VON GABRIELE DIENSTL

 

Ein solcherart mit dem Kellergassen Virus angesteckter Idealist ist Alois Ullmann aus Oberkreuzstetten. Um 500 Schilling kaufte er vor 20 Jahren eine verfallene Kellerröhre und macht daraus nun ein Lebenswerk, das sich mittlerweile bereits über zwei Weinkeller erstreckt. Fachgerecht und authentisch errichtete Eingangsbereiche, sogenannte Vorkappln, verbreiterte Kellerröhren und der Ausbau von Kellerräumen für den Aufenthalt größerer geselliger Runden, diese verbunden durch eigens neu gegrabene Gänge sind ein unglaubliches Zeugnis seiner Leidenschaft für die Kellergasse.

Der Lois, wie er im Ort genannt wird, renoviert und erweitert Kraft seiner Hände die Weinkeller wie in alten Zeiten. Dafür hat er eigens ein schaberähnliches Werkzeug mit Holzknauf kreiert, mit dem er den Lehm von den Wänden absticht, um Kellerräume zu verbreitern oder um völlig neue Gänge zu graben. Der Ironman der Kellergasse trägt dann kübelweise den abgestochenen Aushub aus seinem Keller die Stufen hinauf ins Freie. Letztes Jahr hat er auf diese Weise 2.500 Lehmkübel ans Tageslicht befördert. „Das war aber eher wenig, denn in den Jahren davor habe ich viel mehr abgegraben. Für mich sind die beiden Weinkeller mein Fitnessstudio“, erklärt Ullmann, der meist barfuß im zehn Grad kühlen Lehmkeller werkt und erstaunlicherweise trotzdem braungebrannt ist.

So ist zwischenzeitlich ein domähnlicher Raum mit gemauertem Kuppelgewölbe aus alten Ziegeln entstanden, mit Ausnehmungen in den Wänden für Kerzen und besondere historische Fundstücke, romanisch wirkende Rundbögen geben dem Raum einen sakralen Charakter.

Der Lois ist mittlerweile auch zertifizierter Kellergassenführer, und seine G‘schichtln begeistern die Gäste. Er lässt eine Welt wiederauferstehen, wo Äcker per Handschlag bei einigen Achterln im Keller getauscht wurden, die Gschropp’n ein paar Schillinge für gefangene Hamster oder ein Kilo Maikäfer bekamen und der Weinkeller die letzte Zufluchtsstätte vor den herannahenden Russen war und sich ein schutzsuchendes Mädchen mit Namen und Datum an den Lehmwänden verewigte.

17 Millionen Jahre alte Muscheln

Die Touristiker würden sich die Hände reiben: ein warmes tropisches Meer im Weinviertel, mit Delphinen und unzähligen schillernden Fischen, riesigen Austern und Milliarden von Muscheln, umsäumt von Sandstrand unter Mangrovenbäumen. Dieses leicht zu vermarktende Paradies gab es bei uns tatsächlich, wer dies nicht glaubt fährt mit all seinen Zweifeln in die Fossilienwelt Stetten und erstaune.

Ein vermutlich damals schon stiller Ableger des Tourismus-Hotspots „Tropical Korneuburg“ war die Kreuzstetter Bucht, die abgeschieden vom Mainstream durch eine Erhebung von der Korneuburger Bucht getrennt war. Auszug aus „Niederösterreich von Erich Thenius“, Wien 1974: „Das Korneuburger Becken und die Bucht von Kreuzstetten sind erfüllt von feinen Sanden, Tonmergel und einer Fauna, die einen etwas geringeren Salzgehalt erkennen läßt … besonders in der Umgebung von Kreuzstetten enthalten die Bodenschichten Muscheln, Schnecken, Seepocken, Seeigel und andere Stachelhäuter sowie Fische und Pflanzenreste. Auch Land- und Süßwasserschnecken fehlen nicht.“ 

Wo finden sich beispielsweise diese sagenhaften, tropischen Sande und Muscheln? Natürlich im Keller vom Lois. An einer seiner Wände lassen sich anschaulich die verschiedenen Erdschichten begutachten und Kellerführer Lois wird nicht müde, diese seinen Gästen von der letzten Eiszeit bis zum tropischen Urmeer zu erklären. Ihm schwebt eine ganze Ausstellung vor, wo er seine fossilen Fundstücke der näheren Umgebung präsentieren kann. Dieser Enthusiasmus hat auch die anderen Kellerbesitzer der Oberkreuzstetter Kellergasse angesteckt und diese ist aus ihrem Dornröschenschlaf schon lange wieder erwacht und lebt bei Kellergassenfesten, Trommelsessions und privaten Feiern gerne auf …

Den ganzen Artikel finden Sie in der Wein4tlerin Herbstausgabe 2017

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