Grande Dame der Schreibkunst

Ihr lichtdurchflutetes Atelier im idyllischen Weinort Hagenbrunn ist die Geburtsstätte von ganz außergewöhnlichen Schrift-Bildern. Denn schon seit einem Vierteljahrhundert gestaltet Annika Rücker als eine der wenigen, die dieses Handwerk noch beherrschen, die jährlichen Urkunden der Nobelpreisträger mit allerfeinster Kalligrafie-Kunst und viel Gefühl.

Gelernt hat die Tochter eines schwedisch-österreichischen Ehepaars ihr Handwerk von der Pike auf in der Meisterklasse für Schrift an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Zurück in Stockholm arbeitete die Künstlerin dann im Atelier ihres Vaters als Grafikerin. »Anfangs bekam ich auch kleine Schriftaufträge, die dann langsam immer mehr wurden, weil meine Arbeiten gut angekommen sind.« Durch einige bedeutsame Begegnungen mit großen Kalligrafen inspiriert, vertiefte sie sich weiter in diese Schriftkunst. Seit 1988 darf Annika Rücker nun bereits stolz auf die Gestaltung von 188 Urkunden zurückblicken.

Wenn Buchstaben Geschichten erzählen

Eine besondere Spezialität sind die Monogramme der Künstlerin, die mit Blattgold auf die Ledermappen der Nobel-Urkunden geprägt werden. Jede dieser sehr persönlichen Grafiken erzählt eine Geschichte, wofür die Künstlerin tief recherchiert und sich auf die Persönlichkeit des Preisträgers einlässt. So entstand ein ›Katzengesicht‹ für Katzenliebhaberin Doris Lessing, und das Monogramm für Orhan Pamuk zieren passenderweise Moscheen, die sich im Bosporus spiegeln. Die Schwierigkeit dabei ist der Zeitdruck, unter dem die Künstlerin steht. Denn auch sie erfährt erst, wer die nächsten Urkunden erhält, wenn dies öffentlich wird.

»Aber am 10. Dezember ist Nobel-Tag und da muss alles fertig sein. Dann ziehe ich mich total zurück und arbeite nur mehr für diese Urkunden. Krank werden darf ich da nicht«, lächelt die Wahl-Weinviertlerin, die vor Jahren nach Hagenbrunn übersiedelte, weil das charmante Häuschen, in das sie sich bei einem ihrer Österreich-Besuche verliebt hatte, überraschend zum Kauf angeboten wurde.

La Vie en Rose

Die Kalligrafie ist nur eine der Leidenschaften von Annika Rücker. Auch ihr Faible für Rosen ist Teil ihres künstlerischen Daseins. »Genau wie jeder Mensch hat die Rose eine Seele und Tiefe. Alle haben einen besonderen Charakter«, schwärmt sie und bringt genau dies mit Aquarellfarben zu Papier. Vorbilder findet die Naturliebhaberin reichlich in ihrem eigenen Garten, denn üppig blühen hier die schönsten Exemplare. Dabei malt sie völlig naturgetreu. »Da zählt die Schönheit des Moments. Auch hier kann ich mir nicht viel Zeit lassen, denn die Rose verändert sich täglich und verblüht ja dann auch«, erzählt sie mit Begeisterung.

Besonders einzigartige Kunstwerke entstehen, wenn Annika Rücker ihre Rosenbilder mit der Kalligrafie verbindet, indem sie die Blumenköniginnen mit schönen Sprüchen und Versen verziert. »Auch hier bekomme ich immer wieder Aufträge, wie etwa kürzlich von einem Ehemann, der seine Frau zur Silberhochzeit mit einem solchen Rosenbild überraschte!« Annika Rücker ist stolz darauf, von ihrer Arbeit leben zu können. Und wir sind stolz, so eine begnadete Künstlerin im Weinviertel anzutreffen.

Ausgabe Herbst 2013
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