Go, Zinsi, go!

Eine Woge der Begeisterung ging vergangenen Sommer durch Österreich, verdichtete sich im Weinviertel und fand ihren Höhepunkt im kleinen Ort Niederhollabrunn.

Denn hier ist die Heimat von Manuela Zinsberger, der Torhüterin der Nationalelf unserer Fußballfrauen, die in Holland bei der Europameisterschaft beherzt und leidenschaftlich ihre Chancen wahrgenommen hat, sich erst im Halbfinale der dänischen Mannschaft geschlagen geben musste und somit Platz drei bei diese europaweitem Großereignis erreichte.

Wir haben die Weinviertler Keeperin zum Interview besucht, die wesentlich zu diesem großen Erfolg beitragen konnte.

Wie gut, wenn man einen Rückzugsort hat, wenn sich die Welt da draußen im Höllentempo dreht! Für die Torfrau der österreichischen Damen-Nationalelf, Manuela Zinsberger, ist dieses Leo ihre Familie in Niederhollabrunn. Und die Welt dreht sich für die 21-Jährige grade tatsächlich ziemlich schnell. Erst vor wenigen Tagen von der Europameisterschaft in Holland zurückgekehrt, gab es hier seither kaum eine Pause zum Durchatmen. Großer Empfang in Wien, noch größeres Trara, als die junge Kickerin in ihrem Heimatort eintraf, wo im Traubengarten von Tante Doris Winkler schon hunderte Menschen auf die junge Sportlerin warteten, die mit ihren Teamkolleginnen eindrucksvoll dafür gesorgt hat, dass bei uns keiner mehr über Frauenfußball witzelt.

Sollten Sie die Einzelheiten dieses Großereignisses verpasst haben, finden Sie viele Quellen, in denen Sie sich sportlich kompetent schlau machen können. Wir hingegen sind vor allem an Manuela Zinsberger als Mensch interessiert und durften die Bayern München-und österreichische Nationalelf-Torfrau in besagtem Traubengarten, dem Niederhollabrunner Heurigen und Manuelas Zufluchtsort von Tante und Onkel, noch schnell zum Interview treffen, bevor sie sich in den wohlverdienten Urlaub verabschiedete.

Wein4tlerin: Manuela, wie geht es dir mit dem Hype, der rund um Euch Fußballmädels jetzt da so plötzlich entstanden ist?

Manuela Zinsberger: (lacht) Ja, ich war heute wieder einmal in einem Einkaufszentrum und das ist wirklich unglaublich. Ich werde ständig angesprochen, kleine Kinder kreischen auf, wenn sie mich sehen, eine Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft ist mir sogar in die Umkleidekabine nachgehechtet – jeder spricht mich an! Egal ob es der Kellner im Café ist oder der Security vom Einkaufszentrum. Da bin ich erschrocken, ich dachte gleich, ich habe etwas verbrochen. (lacht wieder) Es ist halt wirklich irre, das Ganze innerhalb von wenigen Tagen von Null auf Hundert – es ist einfach unglaublich und ich hoffe, das hält noch lange an!

Und wie geht es dir persönlich in diesen Tagen nach der Europameisterschaft?

Was wir da als Mannschaft abgeliefert haben, das hätten wir uns alle nicht mal erträumen können. Es ist unglaublich, welches Potential in unserem Team steckt. Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass wir im Halbfinale stehen werden, hätte ich vielleicht sogar gelacht. Ich ziehe den Hut vor meiner Mannschaft! Vor der Gelassenheit, dem starken Zusammenhalt – und der Power. Wir haben immer gefightet bis zum Schluss! Ich glaube, da darf man wirklich stolz sein.

Du spielst ja bei Bayern München, lebst du auch in München?

Ja, ich spiele seit 2014 beim FC Bayern München und lebe da auch. Ich bin seit meinem 18. Lebensjahr selbstständig und stehe dort auch auf eigenen Beinen.

Arbeitest du neben dem Fußballspielen?

Eine Woche bevor wir zur EM gefahren sind, habe ich meine Ausbildung zur Bürokauffrau abgeschlossen. Jetzt möchte ich mich aber nur mehr auf den Sport konzentrieren. 40 Stunden Arbeit mit dem FC Bayern München zu verbinden, war nämlich nicht ganz so einfach. Ich freue mich drauf, dass ich künftig wirklich alle Angebote wahrnehmen kann, wie das Vormittagsprogramm und die Regenerationsmaßnahmen, wo ich bisher nicht mitmachen konnte, weil ich gearbeitet habe. Ab jetzt möchte ich mich als Profi zu hundert Prozent auf Fußball und auf mich konzentrieren und auch dem Verein etwas zurückgeben. Ich spüre, dass da noch viel Potential in mir steckt.

Bei Bayern München gibt es ja drei Torfrauen. Wo stehst du da?

Bisher war ich die Nummer zwei. Mal sehen, wie das jetzt in der neuen Spielsaison laufen wird. Ich werde natürlich schauen, dass die Konkurrenz hochgehalten wird. Das ist ein guter Anreiz, noch mehr herauszuholen, noch mehr zu geben, denn natürlich will ich spielen und Nummer eins werden!

Jetzt mal ehrlich: Ist es nicht langweilig, auf der Bank zu sitzen und zu warten, ob man spielen darf?

Tja, klar ist das schwierig, aber im Leben wird einem eben nichts geschenkt. Und ich finde das sehr gut, dass man sich anstrengen muss, für etwas, das man erreichen will. Jetzt werde ich den Schwung von der Europameisterschaft in die Bundesliga voll mitnehmen!

Wie bist du eigentlich als Mädchen zum Fußball gekommen?

Ich war in meiner Kindheit irgendwie immer nur mit Buben zusammen und da war Fußball eben auch immer ein Thema. Mich hat es gelangweilt, wenn die Buben zum Training gegangen sind, und ich dann niemanden zum Spielen hatte. Als mich eine Fußballermama motiviert hat, doch auch mal mitzuspielen, habe ich es einfach ausprobiert und es hat mir supergut gefallen!

Wieso hast du dich gerade für die Torhüter-Rolle entschieden?

Das war eigentlich Zufall. Am Anfang war ich Allrounderin, dann fehlte mal jemand im Tor und ich habe mich halt hingestellt. Das gefiel mir aber so, dass ich dabei blieb.

Wo hast du damals gespielt?

In Leitzersdorf, zusammen mit den Burschen. Bis zu meinem 15. Lebensjahr habe ich eigentlich immer als einziges Mädchen mit den Burschen mitgespielt. Erst später in Großrußbach habe ich schon in einer Damenmannschaft gespielt, danach beim Bundesligisten Neulengbach. Schulisch habe ich dann nach St. Pölten ins Internat gewechselt, wo kurz darauf das „Nationale Zentrum für Frauenfußball“ entstanden ist. Dadurch bin ich schon sehr früh selbstständig geworden.

Aber so richtig viel Frauenfußball gibt es ja in Österreich nicht, oder?

Nein, da fehlt es leider noch an der nötigen finanziellen Unterstützung. Man kann da nicht davon leben. Das Problem ist auch: SKN St. Pölten ist der stärkste Verein, dort wollen alle spielen. Wenn dann der erste gegen den letzten spielt, ist das keine Konkurrenz mehr. Da gehen die Spiele dann 12:0 aus. Das ist in Deutschland halt ganz anders. Da kann es dir als Nummer eins auch passieren, dass du gegen den Letzten verlierst. Deshalb spielen auch viele aus der Nationalelf in Deutschland, weil die deutsche Liga eben eine der besten in Europa ist.

Und wie bist du dann zu Bayern München gekommen?

Wir hatten bei Neulengbach ein Testspiel gegen die Bayern. Dort hat mich der Trainer auf ein Probetraining eingeladen, bei dem ich alles gegeben habe. Dann hat er mir angeboten, beim FC Bayern München zu spielen.

Ist es nicht sehr schwierig, so lange im Tor zu stehen, wenn nichts passiert und dann auf den Punkt da zu sein?

Ja, aber das spielt sich alles im Kopf ab, da ist eben mentale Stärke gefragt, und die muss man trainieren. Und sie wächst mit jedem Spiel. Es ist einfach wichtig, dass du da 90 oder 95 Minuten, oder wie bei der Europameisterschaft womöglich 120 Minuten, total fokussiert bist. Das ist eben die Stärke des Torhüter-Lebens.

Wir haben beim FC Bayern München jeden Tag Mentaltraining im Team und auch Einzelsitzungen. Da wird dann viel an Spielsituationen gearbeitet oder auch das letzte Spiel analysiert, geschaut, wo waren starke Phasen, wo schwache, und was kann man noch verbessern. Man glaubt gar nicht, wie stark Mentaltraining ist und was da alles möglich ist!

Wer sind deine Vorbilder? Ich habe gelesen Neuer und Buffon?

Naja, richtige Vorbilder habe ich keine. Wenn ich mir ein Match anschaue, beobachte ich immer beide Keeper und versuche etwas zu lernen. An Manuel Neuer gefällt mir seine Präsenz am Platz und dass er aktiv am Spiel teilhat. Das ist auch meine Philosophie. An Buffon finde ich einfach unglaublich, welche Leistung der in seinem Alter bringt.

Wie oft trainierst du?

Bei Bayern sieben Mal pro Woche, ein Tag ist trainingsfrei.

Da bist du ja ganz schön beschäftigt. Bleibt da Platz für einen Freund?

Phu, das ist schwierig. Man ist halt wirklich viel am Platz, beim Training, dazwischen vielleicht mal Physio, dann muss man regenerieren und hin und wieder fährt man heim zur Familie … oder man ist überhaupt, so wie jetzt bei der Europameisterschaft, gleich mal wochenlang unterwegs. Da ist es nicht so leicht, das zu verbinden. Aber ich mach mir da keinen Stress, wenn’s passiert, dann passiert’s!

Nächster Halt Serbien! Wie siehst du das?

Ja, das erste WM-Qualifikationsspiel spielen wir in Serbien. Aber ehrlich gesagt habe ich mir da noch gar keine Gedanken dazu gemacht. Ich muss jetzt erst einmal die vielen Ereignisse von Holland, von meinem unglaublichen Empfang hier bei meiner Rückkehr und dem neuen Medienrummel verarbeiten.

Da war die Zeit jetzt noch viel zu kurz, um wieder runterzukommen. Jetzt fahre ich ein paar Tage in die Schweiz, um mich ein bisschen zu erholen und den Kopf wieder frei zu bekommen. Und dann freue ich mich schon auf den Start mit dem Verein. Und danach wieder aufs Nationalteam. Ich vermisse die Mädels schon jetzt nach drei Tagen, weil wir einfach eine geile Truppe sind und ich wirklich jede aus dem Team mag. Und dann freu ich mich auf die Vorbereitungen zur WM-Qualifikation. Aber jetzt steht erst einmal das Runterkommen an nächster Stelle und dann eben eins nach dem anderen.

Wenn ihr Mädels aus dem Nationalteam alle in verschiedenen Vereinen spielt, wie könnt ihr Euch auf gemeinsame Spiele, wie die WM-Quali, vorbereiten?

Wir haben Vorbereitungs-Lehrgänge und die versuchen wir natürlich alle gemeinsam zu nutzen. Aber grundsätzlich bereitet sich jede für sich vor. Es funktioniert so gut, weil jede Teamspielerin so eine wahnsinnige Leidenschaft in sich hat, das Vertrauen untereinander ist so stark, auch vom Betreuerstab, und es hat jede von uns so einen Ehrgeiz und so einen starken Willen, sich weiterzuentwickeln. Vor einem Spiel haben wir ein paar Tage Zeit, uns wieder miteinander einzufinden, bevor wir das Spiel bestreiten. Und da klappt das Zusammenspiel eben auch in kürzester Zeit so gut.

Abschließend noch eine ganz banale Frage: Was ist denn deine Lieblingsspeise?

(lacht) Ich sag’s immer wieder: Das Brathenderl meiner Oma! Und wenn ich heimkomme, dann hat das mein Papa schon organisiert, dass am nächsten Tag bei der Oma eins für mich angerichtet wird.

Ich selber war beim Kochen anfangs gar nicht so geschickt, aber seit ich in München alleine lebe, habe ich mir von den Mädels allerhand abgeschaut. Da kann es auch vorkommen, dass ich der Mama eine Whatsapp mit einem Foto vom Backrohr schicke, um sie zu fragen, ob ich es so richtig mache. Einmal habe ich eine Torte gebacken, da habe ich mehrere Anläufe gebraucht und insgesamt 26 Eier. Aber schön langsam lerne ich es!

Apropos Mama, hast du in München manchmal Heimweh?

Ich war ja schon sehr früh in St. Pölten im Internat, da war das erste Jahr sehr schlimm für mich. Jetzt geht es mir eigentlich gut und wenn ich Sehnsucht habe, gibt es ja Telefon und Facetime, das hilft dann in diesen Momenten.

Manuela, danke, dass du dir für uns noch Zeit genommen hast. Erhol dich gut und wir alle freuen uns schon darauf, Euch bald wieder die Daumen zu drücken!

Interview: Lilly Dippold
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