Franziska Schilcher: Rewollution

In einem kleinen Weinviertler Dorf stemmt sich eine mutige Frau gegen den Trend von Billigimporten in der Textilbranche.

Ein elegantes kleines Schild am Straßenrand weist im 600-Seelen-Dorf Wolfpassing im Bezirk Mistelbach den Weg zur Strickmanufaktur Horst Sitte, wo die Strickmaschinen gerade wieder volle Fahrt aufnehmen, um Weinviertler Handwerk vom Feinsten zu produzieren.

ERZÄHLT VON LILLY DIPPOLD

 

Was Mitte der Achtziger mit einer kleinen Handstrickmaschine in der Privatwohnung von Brigitte und Horst Sitte als Hobby begann, entwickelte sich rasch zu einem Renner. Qualitativ hochwertige Strickware aus dem Weinviertel war bald so gefragt, dass das Ehepaar 1987 nach Wolfpassing in die Werkshalle einer ehemaligen Tischlerei übersiedelte, um der großen Nachfrage gerecht zu werden. Horst Sitte erlernte in einer großen Strickerei das Handwerk und bald waren einige Mitarbeiter beschäftigt, mithilfe von zehn Strickmaschinen feine Damenbekleidung zu produzieren.Nur vom Feinsten sind sie die italienischen Garne bis heute, die da kunstvoll miteinander kombiniert werden, um kuschelige Wollstoffe aus extrafeinem Merino, Kaschmir, Alpaka und Viskose zu weben, die schon damals zu Mänteln, Jacken, Hosen, Kleidern, Röcken und natürlich Pullis verarbeitet wurden.

In diesen goldenen Zeiten österreichischen Handwerks betrieben Brigitte und Horst Sitte selbst auch fünf Detailgeschäfte in Wien, Baden, Graz, Zell am See und Salzburg. Figurschmeichelnder Strick wurde zum Trend und hohe Qualität sehr geschätzt.

Zurück an den Start

„Als dann der Euro kam, wurde es zunehmend schwieriger“, erzählt Brigitte Sitte heute ganz ohne Wehmut. Billigimportware und Preisverfall machten der heimischen Textilbranche das Leben schwer und die Familie musste mit den Jahren ein Geschäft nach dem anderen schließen und sich von Mitarbeitern trennen, um das unternehmerische Überleben weiterhin zu sichern. Das Unternehmerpaar reduzierte sich auf die Manufaktur in Wolfpassing, in der — nun im kleineren Stil — weiterhin Strickmode erzeugt wurde.

Frischer Wind

Auch Tochter Franziska Schilcher war in den Jahren modisch unterwegs. Sie betreute österreichweit die Filialen von namhaften Unternehmen wie Bonita und Bijou Brigitte. „Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, aber irgendwann wurde ich der vielen langen Autofahrten überdrüssig“, erzählt sie vom Beginn ihres Spurwechsels. „Ich dachte darüber nach, was ich als nächstes tun wollte und fand es eigentlich schade, wenn das Unternehmen meiner Eltern nicht weitergeführt würde.“ Gesagt, getan – Franziska spuckte sich in die Hände und machte sich viele Gedanken zur Belebung der Weinviertler Strickmanufaktur.

Heute werden hier zwei verschiedene Kollektionen unter dem Label ›Horst Sitte‹ und ›BNSH‹ produziert. Traditionelle zeitlose Strickware, die künftig vor allem für den Crossover-Bereich im nach wie vor boomenden Trachtensektor gedacht ist unter ersterer Marke, mit ›BNSH‹ kommt hingegen Fashion in trendigen Farben und modischen Schnitten auf den Markt. Der hohen Qualität bleibt auch Franziska Schilcher treu, denn Billigware gibt es ihrer Ansicht nach ohnehin genügend. „Merino, Alpaka, Kaschmir und hochwertig Viskose bleiben weiterhin unsere materielle Basis.“

Lässiger Strick von bester Qualität aus Wolfpassing: www.horst-sitte.com

Individuell ab Manufaktur

Für die strickaffine Weinviertlerin gibt es gute Nachrichten, denn Franziska Schilcher wird trotz Wiener Innenstadtboutique auch weiterhin den beliebten Werksverkauf aufrecht erhalten. So kann man in der Manufaktur in Wolfpassing die Kollektionsstücke bestaunen und direkt zu Fabrikspreisen kaufen. Und wenn es nicht passt? „Wir verkaufen ohnehin nur selten unsere Musterstücke aus der Kollektion. Normalerweise fertigen wir für unsere Kundinnen das gewünschte Kleidungsstück individuell an“, beeilt sich Brigitte Sitte zu erklären. „Dabei können wir nämlich auch ganz leicht auf Sonderwünsche und Farbwünsche eingehen, oft ist es ja so, dass der Dame eine Jacke in einer anderen Farbe besser gefällt. Das ist für uns überhaupt kein Problem!“

Vieles ist für Franziska Schilcher jetzt noch im Aufbau. Ob sie wieder mehrere Detailgeschäfte anstrebt oder den Werksverkauf weiter forciert, wird sich wohl erst in den nächsten Monaten herausstellen. Doch eines ist für die sympathische Weinviertlerin sonnenklar: Das Familienunternehmen soll weiter bestehen. Mit der festen Überzeugung, dass hochqualitatives Handwerk auch weiterhin Bestand hat und gute Qualität gefragt ist, geht sie jetzt ans Werk, zeichnet Schnitte für ausgefallene Stücke und lässt die Strickmaschinen glühen, die herrliche Jacquards in feinster Qualität hervorbringen. „Stangenware gibt es schon genug, ich möchte Strickmode erzeugen, die so einzigartig ist, wie die Frau, die sie trägt.“ Nun, wollen wir das nicht alle?

Artikel aus der Wein4tlerin Sommer 2017
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