Franziska Dienstl: Das Leben studieren

Früher gingen junge Menschen auf die Walz, um ihren Horizont zu erweitern. Auch heute noch wird die Erdkugel vom abenteuerlustigen Jungvolk erobert, und nicht wenige junge Frauen machen sich ganz alleine auf die Reise in die große, weite Welt. Eine von ihnen ist Franziska Dienstl aus dem Weinviertel.

ERZÄHLT VON GABRIELE DIENSTL

 

Vielleicht war das oftmalige Hören der CD „Die Reisemaus in Italien“ daran schuld, dass Franzsika
Dienstl als Kind schon das Überschreiten der österreichischen Grenze bei Tarvis als aufregend empfand. Als Jugendliche saugte sie fasziniert historische Reiseberichte von den ersten weltreisenden Frauen auf, und verfolgte über das Internet atemlos die Stationen von alleine umherziehenden Weltenbummlerinnen. Nach der Matura und einem Semester Geschichte Studium war ihr Entschluss endgültig gefasst: Hallo Welt – ich komme!

Life is a big party

Wozu ist ein ausbezahlter Bausparvertrag eigentlich gut? Grundstein für eine Wohnungsausstattung? Ein Auto? Pah, alles spießige Gedanken! Eine Hälfte wird als eiserne Reserve gespart, mit der anderen Hälfte wird Asien erobert. Und zwar beginnt Frau in Bangkok. Man hat schließlich aus Youtube-Videos gelernt, dass dort die Post abgeht und dass die Lebenskosten vor Ort erschwinglich sind. Der Reiseimpfplan wird abgearbeitet, der Flug – natürlich in echter Weltreisemanier nur one way – wird gebucht, die letzten, sehr festen Umarmungen werden am Schwechater Flughafen ausgetauscht, und dann geht’s los.

Klitzekleine Anfängerfehler passieren zwar, wie das Vergessen einer kurzen OK-Nachricht an die Family zu Hause nach der Ankunft im thailändischen Hostel aufgrund eines überwältigenden Schlafbedürfnisses, aber der Beginn des großen Abenteuers ist grundsätzlich geglückt. Nach dem Munterwerden wird eine kurze Info an die soziale Welt inklusive der eigenen Familie über die gute Ankunft in der schwülen Millionenmetropole geschickt, und zuuufällig wird dort gerade Neujahr gefeiert, und zuuufällig sind unter den „Freundinnen aus den sozialen Medien“ einige aus Bangkok und diese wissen auch zuuufällig, wo die beste Party steigt. Und jetzt geht’s wirklich los.

 

Franziska erhält einen Segensspruch von einem buddhistischen Mönch in Kambodscha (Foto: Gabi Dienstl)

Allein ist nicht allein

Was Franziska von Anfang an fasziniert, sind die interessanten Kontakte zu vielen internationalen Personen, jede und jeder mit seiner eigenen spannenden Geschichte und den vielen bunten Lebensentwürfen, die sich auftun. „Als Alleinreisende komme ich sehr leicht mit anderen Menschen ins Gespräch, viel eher, als wäre ich zu zweit oder in einer Gruppe unterwegs“, stellte sie bald fest.

Ihre Reise führt sie weiter durch die Inselwelt Thailands, ein „Backpacker-Paradies für Einsteiger“, wie sie erklärt. Sie wohnt in günstigen Hostels oder in privaten Häusern, sogenannten „home stays“, und um das Reisebudget aufzubessern beginnt sie in Hostels mitzuarbeiten, entweder an der Rezeption oder als Barkeeperin. Ein chinesischer Filmdreh, der europäische Statisten sucht, kommt gerade recht und engagiert Franziska und ihre neue Freundesgruppe für eine Fernsehproduktion nach der Art von „Traumschiff auf Chinesisch“ und so folgt ein Abenteuer auf das andere.

 

Auf dem höchsten Berg von Vietnam, dem Fansipan (Foto: Gabi Dienstl)

Life is rich

Das Nachbarland Laos steht als nächstes auf der Wunschliste, und hier findet die Weinviertlerin die asiatische Welt noch um Jahrzehnte zurückversetzt. „Die Verständigung auf Englisch war kaum möglich, eventuell ein bisschen Französisch und viel Gestik waren die Konversationsbasis mit Einheimischen“, erinnert sich Franziska. Die Ruhe der Landschaft und der Menschen begeistert sie in zunehmendem Maße. Kann das noch getoppt werden? Ja, es kann.

Unsere Weltenbummlerin verlässt die neu gefundenen Bekanntschaften und das Land Laos und fliegt nach Hanoi, der Hauptstadt von Vietnam. „Es hat sich hier wieder eine völlig andere Welt für mich aufgetan,“ fasst sie ihre ersten Eindrücke zusammen, „Vietnam funktioniert ganz anders als die anderen Länder und der Tourismus war damals im Juni 2016 nicht mit dem Status von heute zu vergleichen, die Entwicklung geht in diesen Ländern rasend schnell.“

Nach einer etwas verwirrenden Anfangszeit, wo das Zurechtfinden gar nicht einfach für sie war, wird Franziska in ihrem Hostel bezüglich einer Mitarbeit angesprochen. Nichts lieber als das, denn das Reisebudget muss ohnehin dringend aufgestockt werden. Ehe sie es sich versieht, steht sie am Vormittag an der Rezeption, checkt Gäste ein und aus, und verkauft Motorrad-Ausflugstouren an Touristen. Abends geht es weiter an der Bar hoch über den Dächern von Hanoi, sie schleppt Getränkekisten in den 6. Stock und kreiert Cocktails, nebenbei führt sie ein elektronisches Verrechnungssystem ein, denn „die Stricherl-Listen waren öd“. Und es macht ihr alles riesigen Spaß. „Ich unterhalte mich gern mit verschiedensten Leuten, und ich profitiere von den Erfahrungen anderer“, schwärmt die damals 19-Jährige. Ein neuer Freundeskreis mit Australiern baut sich auf, und schon ergibt sich eine weitere Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen: Englisch Unterricht.

 

Franziska Dienstl (2. v.r.) mit Englisch-Studenten in Hanoi (Foto: Gabi Dienstl)

Xinchao – Hello!

„Die Vietnamesen sind sehr daran interessiert, ihre Kinder Englisch lernen zu lassen“, erfährt sie. Zusätzlich zu den staatlichen Lehrern werden Muttersprachler oder als Englischlehrer ausgebildete Personen stundenweise an Schulen eingesetzt. Franziska absolviert das international anerkannte TEFL-Zertifikat, das sie als Englischlehrerin ausweist, kauft ein Motorrad und fährt damit an Nachmittagen im Höllenverkehr von Hanoi zu verschiedenen Schulen, um Kinder zwischen vier und 16 Jahren zu unterrichten. „Natürlich bin ich da schon ins kalte Wasser gesprungen“, schmunzelt sie, „aber ich dachte mir: fake it till you make it – und es ging von Stunde zu Stunde besser.“ Wieder eine neue Erfahrung fürs Leben …

Vier Monate lang bleibt Franziska in Hanoi, und nach einem dreiviertel Jahr in Asien kehrt sie nach Österreich zurück, um – nein, nicht um zu bleiben, sondern um Geld für eine weitere Reise zu verdienen, denn „ich habe noch so viel nicht gesehen.“ Ein knappes Jahr bei Austrian Airlines am Check-in-Schalter bringt neben günstigen Flugmöglichkeiten nach Indien und Kanada auch das Startkapital für eine neuerliche Asienreise, wieder einmal nur mit Hinflugticket.

Schweigetage in einem buddhistischen Tempel nahe Bangkok (Foto: Gabi Dienstl)

„Ich will lernen …

…aber nicht an der Uni. Oder zumindest jetzt noch nicht.“ Franziska bereist diesmal Kambodscha und entscheidet sich danach für eine Ausbildung als Yoga- und Meditationslehrerin bei einem indischen Yoga Institut in „ihrem“ Vietnam. „Mit diesem neuen Wissen habe ich schon öfter Yoga-Kurse in Hostels oder in Yogastudios an verschiedenen Orten gehalten“, berichtet sie, „abgesehen von dem persönlichen Nutzen, den ich aus dieser Ausbildung gezogen habe.“

Ihre nächste Lernstation entpuppt sich als buddhistischer Tempel in der Nähe von Bangkok. Hier lebt sie vier Wochen mit weiblichen Mönchen und arbeitet in Haus und Garten mit. Die Mönchinnen und ihre Gäste wohnen einfachst in kleinen Hütten an einem See, ernähren sich von Essensspenden der Bevölkerung und meditieren zweimal täglich.

Die Gäste können freiwillig einige Schweigetage in Klausur verbringen. Franziska gönnt sich diese Erfahrung: „Drei Tage lang habe ich nichts gesprochen, habe kein Handy oder Bücher benutzt, keine Musik gehört. Ich habe in einer zwei Mal ein Meter großen Hütte am Wasser geschlafen, bin viel spazieren gegangen und habe nachgedacht. Es war unglaublich bereichernd.“

Wie geht es weiter?

Die Möglichkeiten für junge Menschen mit Abenteuerlust sind schier unerschöpflich. Wer Wanderjahre in sein Leben einbaut und offen und neugierig auf Menschen, Kulturen und Fremdsprachen zugeht, kann Wichtiges für’s Leben lernen. Diese Erfahrungen an Selbständigkeit und Unabhängigkeit werden an keiner Ausbildungsstätte unterrichtet, und sind dennoch so bereichernd für den weiteren beruflichen und persönlichen Lebensweg. Aber wann ist der Zeitpunkt gekommen, die Wanderjahre abzuschließen? Die vielen verlockenden Möglichkeiten machen für Franziska den Ausstieg nicht leicht, überall auf der Welt gäbe es spannende Begegnungen und neue Erkenntnisse. Der jungen Frau ist jedoch klar geworden: Lebenswege sollen aktiv gestaltet werden, und da gehören Entscheidungen dazu. So trifft sie ihre Entscheidung für ein neues Studium – und zwar in Österreich. ♦

Aus der Wein4tlerin Herbst 2018
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