Der Tourist – die Identität

jimmy

Auf die Frage, ob denn viele Touristen in diese Gegend kämen, hauchte ein Weinviertler Gastwirt aus dem östlichen Grenzland folgende Worte in eine ORF-„Schöner Leben“-Kamera: „Wir haben hier schon sehr viele Gelsen, wir brauchen „sowas“ nicht auch noch!“ Ja, dieses „Sowas“ ist gefürchtet!

Der Tourist – ein entfernter Verwandter des Terroristen – hat schon viele kulturelle Identitäten zerstört. Ihm wurden schon große Teile menschlicher Eigenheiten und Überlieferungen in den zahlenden Rachen geworfen. Ganze Regionen haben sich als „Tourismusregionen“ inhaltlich der prostitualen Gefälligkeit gewidmet und den geliebten Gästen ihre Würde geopfert. Dass so etwas im Weinviertel auch passieren könnte, ist eher unwahrscheinlich.

Der berühmte „Weinviertler Gleichmut“, der sich aus gelassenem Desinteresse und gepflegter Ignoranz zusammensetzt, wirkt wie ein Breitbandantibiotikum gegen jeglichen Befall heuchelnder Anbiederung. „Mir san mir!“ (Wir sind wir), das hat Bestand – und wird noch ergänzt von der Qualtinger’schen Textzeile: „Zerscht kum i, daun kum i, und wos daun kummt, kummt nie …!“ Aber so schlimm ist es in Wirklichkeit gar nicht.

In einem Interview hat der Chef vom Weinviertel Tourismus vor kurzem gesagt, dass er seine Arbeit nicht als den Ausverkauf der Identität des Weinviertels sieht, sondern als einen Weg, diese Identität erst zu schaffen. Sie zu definieren. Das ist natürlich ein guter Vorsatz und so lange mit so einem behutsamen Ansatz gearbeitet wird, sieht man, dass sehr wohl Lehren aus den touristischen Gräueltaten der Vergangenheit gezogen wurden. Und was sagen die Menschen im Land dazu? Na nix, wie immer …!

Für mich hat das Selbstverständnis des Weinviertlers eine sehr französische Note: Der Weinviertler an sich ist nicht besonders stolz drauf, Weinviertler zu sein und im Weinviertel zu leben. Das ist für ihn einfach selbstverständlich. Das ist das Normalste auf der Welt. Ja, und alle anderen Menschen haben eben Pech gehabt und tun ihm leid …

Darum sei allen Touristen der Welt gesagt: Fürchtet Euch nicht! Wer mag, soll ruhig kommen. Dass wir ihn auch mögen, möge er nicht erhoffen. Und wenn er möglicherweise hier zu verbleiben gedenkt, und sich dem Weinviertler Unvermögen der Akzeptanz aussetzen will, so sei ihm der Spruch eines Weinviertler Bürgermeisters angetragen: „Bei uns bist in der dritten Generation no a Zuag’raster!“ Das meinte der aber nicht böse. Das ist halt so …

Von Jimmy Schlager

 

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