Der Spätberufene: Werner Auer

Gleich vorweg: ich bin jetzt nicht so der Musical Fan! Ich durfte als Kind am Samstagabend öfter länger aufbleiben und mir dann mit meiner Mutter die von ihr so geliebten Operetten anschauen (Ja, sowas hat es damals noch im Fernsehen gespielt!). Anneliese Rothenberger und Peter Minich haben mich noch lange in meinen Träumen verfolgt. Da ich den Unterschied zwischen einer Operette und einem Musical nicht gleich erkennen konnte, habe ich aus Schutz vor weiteren Albträumen das Interesse für beide Genres sicherheitshalber eingestellt.

ERZÄHLT VON JIMMY SCHLAGER

 

Mit der Weisheit des Alters hat sich aber auch bei mir eine gewisse Milde gegenüber meinen Vorurteilen eingeschlichen und vielleicht hat auch die Begegnung mit dem im Folgenden beschriebenen Herrn etwas dazu beigetragen, dass sich mein Horizont um ein schönes Stück Kultur erweitern durfte. Werner Auer ist mir mit seiner Geschichte auf halbem Wege entgegengekommen. Auch geografisch. Wir treffen uns in einem feinen Korneuburger Café. Also, ich treffe ein, Werner Auer trifft etwas später …

Da das Warten aber – im Gegensatz zur Erfolgsmenschenwelt – im Weinviertel zu einem Kulturgut erhoben wurde, kann so eine Vorlaufzeit das Interesse nur steigern. Und irgendwie hat der Werner ja auch lange warten müssen.

Sein musikalischer Lebensweg war nicht gerade vorgezeichnet und wurde von ihm auch nicht schon in der Sandkiste erträumt. Im Gegenteil! „Ich hab in Musik einmal einen Dreier bekommen, weil ich nicht vor der Klasse singen wollte!“, gesteht er nachdenklich, um dann verschmitzt anzumerken: „Aber ich hab dann dem Lehrer meine erste eigene Schallplatte in den Postkasten geschmissen!“

Nein, Werners Berufsweg war ursprünglich ein ganz ein anderer. Als Bausachverständiger der Niederösterreichischen Landesregierung — spezialisiert auf Gastronomiebetriebe — lebte er das schrullige Leben eines Beamten im Außendienst. „Irgendwie war ich so ein Typ wie aus dem Film Indien.“ Vielleicht war es ja auch die Sucht nach Applaus, die ihn von diesem Berufsweg weggeklatscht hat, oder die Angst vor der Eintönigkeit, die ihn in die Vieltönigkeit seines neuen Berufs wechseln ließ.

Ich hatte in Musik sogar einmal einen Dreier!

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Wie gesagt, Zeit ist keine wichtige Größe im Weinviertel, und so ließ sich auch Werner Auer lange Zeit, um einen Wechsel vorzunehmen. Er war so um die Vierzig, als er sich zu diesem Schritt der Veränderung entschloss. „Ich håb kaane Schulden g’håbt, eine Frau die mich unterstützt hat und då håb ich mir dåcht: ›Waunsd’as jetzt ned machst, dann måchst’as går nimmer …‹.“

Musik hat ihn ja schon immer irgendwie begleitet. Trotz seiner Angst vor Publikum zu singen, wollte er die Bretter, die die Welt bedeuten, erklimmen und beseelen. Und so wurde er eben Gitarrist. Als Gitarrist ist das Bühnenleben irgendwie einfacher. Du stehst zwar meist auch ganz vorne, musst aber die Spannung nicht unbedingt ein ganzes Konzert lang halten, sondern kannst dich auf deine kurzen Momente während des Solierens konzentrieren (Ui, da werde ich wieder Schimpfer von der Kollegenschaft bekommen …).

Weil aber irgendwann auch die zähesten Knöpfe im Leben aufgehen, kam auch für ihn der Punkt, wo er ans Mikrofon trat. Und wer diese Magie einmal gespürt hat, der kann von der Sucht wahrlich viele Lieder singen. Die Bands, in denen Werner Auer mitwirkte, genießen im Weinviertel teilweise Weltruhm! Vielleicht können sich die eine oder andere Leserin und so manch geneigter Leser dieser Zeilen noch an Namen wie „Bärli Blahovetz Band“, „Mugl Company“, „Auers Erben“, „Zwio Infernal“ oder „Schnulzenjäger“ erinnern? Die Musiker, die ihn damals begleitet haben, sind im Weinviertel heute schon so etwas wie Säulenheilige musikalischer Wallfahrtskirchen, an denen die Musikinteressierten der Region einfach nicht vorbei kommen: Josef Schick, Chris Heller, Hubert Koci, Wolfgang Luckner, Christoph Helm und wirklich, wirklich sehr, sehr viele andere mehr! Und irgendwann stolperte er dann in das Genre Musical.

Die Felsenbühne Staatz war nach dem Ende der Winnetou-Spiele ein wenig planlos und so kam es, dass sich der Hollabrunner in den hohen Norden begab, um sich an der Grenze zu Tschechien ein wenig Inspiration zu holen. Das erste Musical, das unter seiner Mitwirkung in Staatz auf die Bühne gebracht wurde, war das Stück „Der geflügelte Drache“ (von Hubert Koci & Chris Heller). In den folgenden Jahren wurden auf der Felsenbühne unter großem Publikumsinteresse immer wieder Produktionen aus diversen regionalen Federn gespielt. Und weil gute Dinge meist auch immer wachsen wollen, wagte man den Sprung zu den großen Produktionen und Welterfolgen mit denen der Herr Intendant seitdem für volle Ränge sorgt beim „Musical unter Sternen“.

Die beeindruckende Kulisse der Felsenbühne hinterlässt bei den Besuchern auch wirklich ihre Spuren, da die „Bretter, die die Welt bedeuten“ dort schon eine sehr imposante Einflugschneise für musikalische und darstellerische Momente bieten. „Ich stehe nicht gerne alleine auf der Bühne.“ Diese Sorge von Werner Auer ist hier auch wirklich gänzlich unbegründet.

Wer keine Karten für Staatz bekommt, der kann dem Sänger Werner Auer während des Jahres bei diversen Großevents wie dem Wiener Opernball oder verschiedensten anderen Bällen zuhören. Fad wird ihm nie, denn zu tun gibt es genug. Neben einer Musical-Akademie, in der der Nachwuchs gefördert wird, treibt es ihn auch abseits der großen Bühnen in Sachen Musik durch das Land. Es gibt wenige Musikerkollegen, denen zu ihm nichts einfällt. Fast jeder hat eine feine Geschichte oder Anekdote parat, die den Typen Werner Auer recht schön beschreiben kann. Er ist eben ein abgrundtiefer Weinviertler, der den Ernst der Kultur nicht allzu weit an sich heranlässt und immer bemüht ist, den Witz in seine Arbeit einfließen zu lassen. Es ist ja auch dauernd etwas los, und es gibt so viele Gelegenheiten, seinem Spaß auf der Bühne Auslauf zu lassen. Das schaut und hört Mann und Frau Publikum sich auch immer wieder gerne an. Und zu schauen gibt’s genug, denn er ist in jeder Hinsicht eine „Erscheinung“.

Beim Fototermin bei der Felsenbühne begrüßen uns die Bühnenarbeiter mit: „Wos, um Zehne habt’s ausg’macht? Nau do brauchts vor hoiwa Öfe ned mit eam rechna …“, und lassen so eine liebenswürdige Verbundenheit mit ihrem Intendaten spüren. Jeder kennt ihn, jeder schätzt ihn und irgendwie hat man das Gefühl, dass er hinter jedem noch unverarbeiteten Holzbalken der Szenerie hervorlugt. Wenn er dann da ist, dann ist er da! Der Rundgang durchs Gelände ist wie eine Fahrt auf der Achterbahn der Musicalszene. Hier werden Geschichten erzählt und inszeniert. Über schmale Treppen und Leitern geht es hinauf zu den Podesten auf denen die Sängerinnen und Sänger ihre Kunst auf die Besucher loslassen. Es ist auch von dieser Seite betrachtet ein großes Theater, das hier geboten wird. Auf luftiger Höhe werden die Funken erzeugt, die das Feuerwerk zum Brennen bringen sollen und es haben wirklich alle etwas davon. Denn auch die Künstler haben hier das Gefühl, als wichtiger Katalysator eine Botschaft zum Leuchten zu bringen. Aber hinter all den großen Bildern und Emotionen ist natürlich auch immer ein Mensch zu finden. Einer, der sich etwas getraut hat und seine Liebe und Freude zum Beruf gemacht hat. Dass das nicht immer leicht und einfach war, erübrigt sich fast zu erwähnen.

Ich bin kein sehr geduldiger Mensch!

Wenn das Wetter schön und die Ränge voll sind, dann ist der Jubel groß und der Herr Intendant strahlt und wird von allen bewundert  und beneidet, weil eben gerade alles so schön passt. Nur wenige sehen die Arbeit, das Risiko und das Herzblut, das genau solchen Momenten vorausgeht. Aber: „Des g’heat a zum G’schäft!“, wie er weiß und das „G’schäft“ kennt er ja und hat es auch recht gut im Griff.

Wenn einmal alles zu viel wird, dann setzt er sich in den Flieger und verbringt ein paar Tage in seiner Lieblingsstadt London. Ja, ich hätte ihn auch eher mit weißer Leinenhose in Neapel oder Triest gesehen, aber es dürften doch die nebeligen Theatergegenden der englischen Metropole sein, die ihn entspannen. Oder eine Fahrt mit dem Motorrad, am besten gleich zu seinem heimischen Ort der Entspannung: einem Holzhäuschen am Neusiedlersee. Umjubelt von zahlreichen Gelsen lässt es sich dort exzellent Text lernen und gedanklichen Platz für neue Projekte entwickeln.

„Ich bin kein sehr geduldiger Mensch…“, merkt er noch kritisch an, „aber ich mache alles gerne, weil mich so vieles interessiert!“ Und interessant ist er, der Werner Auer. Nehmen Sie sich Zeit, gehen Sie hin und hören Sie ihm zu. Oder, um mit Karl Farkas zu sprechen: „Schau’n Sie sich das an!“ Vielleicht laufen wir uns ja dann über den Weg, denn ich werde heuer auch zum ersten Mal auf den Gästerängen der Felsenbühne Platz nehmen und dem Ensemble meine Erwartungen zum Bespielen geben …

Aus der Wein4tlerin Sommer 2016
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