Der Regionalpatriot

Als Obmann der Niederösterreichischen Wirtshauskultur hat Harald Pollak das Erbe von Ulli Amon-Jell angetreten und rückt damit auch das Weinviertel noch ein wenig mehr ins kulinarische Zentrum des Landes.

Mit Repräsentation hat Harald Pollak reichlich Erfahrung. War der Weinviertler Parade-Koch doch als Top-Wirt 2013 schon stark ins öffentliche Interesse gerückt und bei vielen Veranstaltungen gern gesehener Gast. Auch mit der Vereinigung der niederösterreichischen Wirtshäuser kennt sich der sympathische Haubenkoch gut aus, schließlich ist er hier bereits seit sieben Jahren Vorstandsmitglied und letzthin auch als Stellvertreter der früheren Obfrau Ulli Amon-Jell intensiv ins Vereinsgeschehen der Niederösterreichischen Wirtshauskultur involviert.
Trotzdem war das Angebot die Führung zu übernehmen, für Harald Pollak nicht selbstverständlich. „Ich freue mich sehr, dass man mich gefragt hat, ob ich mich der Aufgaben des Obmanns annehmen möchte und bin auch ein bisserl stolz darauf, dass man mich für den richtigen Mann dafür hält. Schließlich ist es doch eine große Aufgabe mit viel Verantwortung.” Die Entscheidung hat der Leib-und-Seelen-Wirt aber nicht alleine getroffen, sondern gemeinsam mit der Familie und seinem Team. Denn bei aller Freude auf die neue Herausforderung darf natürlich sein eigenes Wirtshaus, der Retzbacherhof, nicht darunter leiden und auch das Familienleben soll bei den künftigen Verpflichtungen nicht zu kurz kommen.
 
„Dass ich jetzt mehr Termine haben werde, ist klar, aber wir kennen das ja schon aus unserem Top-Wirt-Jahr. Da gab es auch eine ganze Reihe zusätzlicher Veranstaltungen und Events und alles hat prima funktioniert. So werden wir das auch weiterhin gemeinsam gut hinbekommen”, fühlt sich Harald Pollak den neuen Herausforderungen gewachsen. Einen ersten Vorgeschmack bekam der neue Obmann schon im vergangenen Dezember, als die neue EU-Informationsverordnung über die Kennzeichnungspflicht der Hauptallergene die Gemüter der heimischen Gastronomie erhitzte. „Natürlich bin ich da als Bindeglied zwischen der Wirtschaftskammer, dem Niederösterreich Tourismus und den Mitgliedern gefragt, die Balance zu finden und als Wirt verstehe ich schon auch den Unmut meiner Kollegen”, gibt Harald Pollak zu, der selbst kein Problem mit der Kennzeichnung hat. Viel wichtiger wäre ihm allerdings, dass Inhaltsstoffe klar ersichtlich ausgewiesen wären, damit der Konsument auf einen Blick erkennt, welche Geschmacksverstärker, Konservierungsmittel und E-Nummern in so mancher Speise enthalten sind. Denn dass, wie im Retzbacherhof und in vielen anderen Wirtshäusern selbstverständlich selbst und frisch gekocht wird und keine Fertigprodukte zum Einsatz kommen, ist schließlich nicht immer und überall der Fall. „Auch das aktuelle Thema des TTIP Handelsabkommens bewegt die Menschen gerade sehr und ich glaube, wir können dagegen am besten vorgehen, indem wir unsere regionalen Lieferanten stärken”, ist Pollak überzeugt, der dabei der vielen lautstarken Lobeshymnen von ›regional & saisonal‹ schon ein bisserl müde ist. „Das sollte doch absolut selbstverständlich sein, dass ein Weinviertler Wirtshaus Produkte aus der Region verarbeitet. Der Gast kommt schließlich ins Weinviertel, weil er sich hier zu Recht regionale Küche mit Blunz’n und Tafelspitz erwartet und keinen Hummer aus Kanada”, appeliert er an alle Gastronomen zu bodenständiger Authentizität.

NÖ Wirtshauskultur

Insgesamt 260 Mitgliedsbetriebe in Niederösterreich erfüllen derzeit die Qualitätskriterien der Wirtshauskultur. Dabei wird vor allem auf Wirtshausklassiker in der Speisekarte Wert gelegt, auf Sauberkeit, Ambiente und eine persönliche Führung durch die Wirtsleute selbst. Damit die Marke ihre Wirksamkeit behält, werden die Wirtshäuser immer wieder im anonymen Mistery Check auf die Einhaltung der Kriterien geprüft. „Wenn da etwas nicht passt oder Beschwerden von Gästen an den Verein herangetragen werden, suchen wir das Gespräch und es muss nachgebessert werden. Wenn das nicht klappt, kann es sogar zum Ausschluss kommen”, erklärt Obmann Pollak das System der Gemeinschaft, das als Standard für kultivierte und authentische Wirtshauskultur in Niederösterreich steht und Mitglieder durch entsprechende Schilder und Aufkleber kennzeichnet.
 
Vom gemeinsamen Internetauftritt und Werbeaktivitäten im In- und Ausland profitieren alle zugehörigen Betriebe gleichermaßen. Themenwochen zu saisonalen Speisen, Wettbewerbe, wie erst kürzlich der Gulasch-Contest geben den Wirtinnen und Wirten des Landes Gelegenheit, sich zu zeigen. So wie jetzt wohl auch das Weinviertel ein bisschen vom Glanz der neuen Obmannschaft abbekommen wird und mit Harald Pollak noch ein Stückerl mehr ins kulinarische Blickfeld rückt.

Wirtshaus heute

Harald Pollak, der vor seiner Heimkehr ins Weinviertel in den schicksten Küchen der Wiener Innenstadt aufkochte, hatte eine klare Vision, als er vor zehn Jahren den Retzbacherhof in Unterretzbach aktivierte, renovierte und ihm neues Leben einhauchte. Ehrliche, frische Wirtshauskultur mit Produkten aus der Region wollte er hier etablieren – unkompliziert und ohne Gschisti-Gschasti. Und das ist wohl gelungen: „Der Gast soll sich wohlfühlen, der soll sich nicht überlegen müssen, ob er da jetzt husten darf oder ob es passend ist, seinen Freunden lautstark zuzuprosten”, meint es der Haubenkoch gut mit seinen Gästen und wünscht sich, dass jene dieses Angebot auch annehmen. Dass sie sich verwöhnen lassen, dass sie genießen, die gute Wirtshausküche auch wertschätzen und sich an der hohen Qualität der Lebensmittel erfreuen.
 
So hat sich in den letzten Jahren Wirtshauskultur  insgesamt gewandelt, besonders aber im Weinviertel ist das Angebot an solider, kreativer und ehrlicher Kulinarik stark gewachsen. Wirtshauskultur als Heimat-Statement? Durchaus, ist Harald Pollak überzeugt, denn das kulinarische Angebot in Niederösterreich hält er für einzigartig in seiner Vielfalt, die von Region zu Region unterschiedlich ist. „Bei uns im Weinviertel stehen andere Speisen und Lebensmittel regionaler Produzenten im Vordergrund als etwa im Waldviertel oder im Mostviertel. Jede Region hat da ihre ganz eigene kulinarische Handschrift,” so die Hommage an die Wirtshauskultur in unserem Bundesland.
Wurde früher das bodenständige Gasthaus im Bemühen um die Besonderheiten von nouvelle cuisine und Molekularküche von aufstrebenden Restaurants ein wenig in den Hintergrund gedrängt, erlebt das liebenswerte und unkomplizierte Wirtshaus längst sein Comeback. „Der Gast will sein Essen einfach genießen und keine langen Erklärungen dazu hören, was er wie zu essen hat”, ist Harald Pollak überzeugt und beweist sich damit einmal mehr als würdiger Vertreter seiner Zunft, der es nicht nur versteht, seine Gäste selbst liebevoll, kreativ und köstlich zu bekochen, sondern auch die kulinarischen Vorzüge all unserer Wirtinnen und Wirte ins rechte Licht zu rücken und damit unser Genuss-Land als Obmann der niederösterreichischen Wirtshauskultur in all seiner Vielfalt und Fülle an den Schätzen unserer regionalen Produzenten gekonnt zu repräsentieren. Gelegenheiten dazu werden sich im In- und Ausland jedenfalls reichlich bieten, bei denen sich Harald Pollak als leidenschaftlicher Wirt und Regionalpatriot beweisen kann.  
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