Das markierte Waldbad

Wer sich im Weinviertel ansiedelt, der muss eines wissen: Ganz egal wie lange man schon im Ort wohnt, ganz egal wie viele Leute man kennt, ganz gleich bei wie vielen Vereinen man als Mitglied aktiv ist, man ist und bleibt der Zuagraste. Und damit hier nur ja keine Hoffnung aufkeimt: Zu den Zuagrasten gehört man meist noch bis zur vierten Generation!

Schneller funktioniert hier keine Assimilierung. Das ist aber überhaupt nicht böse gemeint, es ist schlichtweg ein Naturgesetz! Ich möchte mich hier auch gar nicht weiter mit dem Sinn oder Unsinn dieses Umstands auseinandersetzen, sowas nimmt man einfach hin wie einen Regentag. Über die kann man sich auch aufregen, bringen tut´s aber nichts. Als meine Familie und ich vor dreieinhalb Jahren in einen wunderschönen Weinviertler Ort übersiedelten, war es für mich klar, dass es auch mir nicht anders ergehen würde. Wir sind und bleiben die Zuagrasten. Als gelernter Weinviertler hab ich ja auch kein Problem damit und kann das recht gut akzeptieren. Unserer jüngsten Tochter war das aber schon vom ersten Tag an herzlichst wurscht. Mit ihren zweieinhalb Jahren war ihr jeder Platz der Welt als Heimatort recht. Wo sie ist, ist immer oben!

Bei unserem ersten Besuch im örtlichen Freibad hat sie das dann auch gleich recht eindrucksvoll demonstriert: Um die Mama ein bisschen zu entlasten, durfte der Papa als Begleitperson mitgehen. Milde lächelnd beobachtete ich auf meinem Liegeplatz unsere Wasserratte, die stundenlang im Wasser platschte. Sie ist sich da selbst genug und braucht wirklich niemanden zum Spielen. Eine Kinderrutsche reicht vollkommen. Weil auch keine Windelhose mehr störte, reichte ein knappes Bikinihöschen als Bekleidung. Der Nachmittag plätscherte ruhig dahin, der Papa war schon kurz vorm Wegdösen, als er bemerkt, dass die kleine Nixe aus dem Becken kletterte und schnurstracks über die Wiese marschierte und einen Sonnenschirm ansteuerte.

Der Papa ist plötzlich hellwach, denn das kann nur bedeuten, dass das beim Plantschen verschluckte Badewasser wieder raus will, und unser gut erzogenes Kind weiß, dass man nicht ins Schwimmbecken pinkeln darf. Beim Onkel, der einen Swimming-Pool im Garten hat, hat sie schließlich gelernt, dass man dazu in die Wiese geht. Jetzt war plötzlich Spannung in der Luft, denn der Sonnenschirm stand nicht alleine in der Wiese herum, nein, unter ihm saßen ein paar ältere Damen beim Kartenspiel. Die Gedanken zuckten wie Blitze durch meinen Kopf: Wenn ich jetzt aufspringe und schreiend durchs Bad laufe, ist es vorbei mit der Diskretion. Eine elegante Lösung musste her!
Ich stand also wie zufällig auf, schnappte mir ein Handtuch und tat so, als würde ich mein Kind suchen. Während ich meinen Blick durchs Freibad schweifen ließ, versuchte ich aber krampfhaft nicht in die Richtung zu schauen, in der das Unglück schon seinen Lauf nahm … oder besser zu laufen begann, denn aus den Augenwinkeln konnte ich schon sehen, wie die Kleine mit unglaublicher Selbstverständlichkeit die Hose runterzog und hinter dem Campingsessel einer der Damen in die Hocke ging. Meine Schritte wurden schneller. Immer noch um Lockerheit bemüht, redete ich mir beim Gehen ein, dass es ja nicht so schlimm sei, wenn ein kleines Kind in die Wiese pischt, das machen ja Rehe, Katzen und Feldhasen auch. Und siehe da, alle im Bad schienen den Vorfall mit Nonchalance zu ignorieren (… obwohl ich sicher war, dass es alle bemerkt haben!).

Als ich sie endlich erreicht hatte, zog sie bereits mit Erleichterung ihre Hose hoch. Erleichtert war ich auch, aber nur kurz. Denn ich stellte mit Schrecken fest, dass das verrichtete Geschäft kein kleines war! Seither weiß ich, dass so eine Kinderwurze recht fest ist und locker mit einer Hand aufgehoben werden kann (ich hatte ja das Handtuch mitgenommen), man seinen Kindern immer zeigen soll, wo im Bad die Toiletten sind, und dass man eine Peinlichkeit durch bemühtes Vertuschen nur noch peinlicher macht! Meine Kleine sprang erleichtert wieder ins Wasser und als das Zittern in meinen Händen es wieder zuließ, schrieb ich meiner Frau folgende SMS: „Unser Kind hat gerade das Waldbad markiert! Ich denke, sie fühlt sich zu Hause!“

Jimmy Schlager – ewig Euer!

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