Brauküche 35: Neue alte Tradition

von Lilly Dippold

Das hübsch restaurierte Bauernhaus in Schalladorf Nr. 35 verrät auf den ersten Blick nichts von seinem aufregenden Innenleben. Kathrin Erlebach, Jörg Gartler und Töchterchen Clementine hat es ins Weinviertel verschlagen um sich hier einen wahren Herzenstraum zu erfüllen …

 

Man könnte sich fragen: Wieso sucht man sich just das Weinviertel als Standort aus, um hier eine waschechte Craft Beer Brewery vom Feinsten aufzuziehen? Eine kleine Brücke zur Weinregion schlägt Jörg Gartler jedenfalls mit seinen speziellen Bieren, die manchmal im Weinfass reifen und sich dort mit den Aromen von Weißburgunder & Co vermählen. Aber ganz so war die Geschichte natürlich nicht geplant. Jörg Gartler hat seine Wurzeln in Hadres und eigentlich suchte die Jungfamilie nur ein Wochenendhaus im Grünen. Dass sie sich in den reizenden Bauernhof in Schalladorf verliebt hatten, den sie mit viel Geduld und Spucke renoviert hatten, war ja vielleicht schon ein Wink des Schicksals. Schließlich waren da auch Nebengebäude, die man ja durchaus auch einer sinnvollen Verwertung zuführen könnte … Und eigentlich brauten die beiden schon ihr eigenes Bier in der Küche (nomen est omen!), denn die Liebe zum kreativen Bier hatte der Biersommelier schon vor Jahren in Neuseeland entdeckt. Warum also nicht gleich den verfügbaren Raum für das gemeinsame
Hobby nützen …?

GESAGT – GETAN!

Heute verbirgt sich hinter der Fassade von Schalladorf 35 die „Brauküche“, in der seit 2016 Weinviertler Craft-Bier vom Feinsten gebraut wird. Kathrin Erlebach und ihr Jörg hatten sich in ihrem Biotechnologie-Studium kennen und lieben gelernt, das ihnen heute auch beim Bierbrauen hilfreich ist und ein besonders partnerschaftliches Zusammenarbeiten ermöglicht. „Wir können uns da zwar fachlich gut austauschen, andererseits bringen wir halt das gleiche Know-how ein. Wirtschaftliches mussten wir uns dafür erst erarbeiten“, schmunzelt die junge Wahl-Weinviertlerin, während sie uns den hauseigenen Hopfen vorführt, der im Innenhof zur Veranschaulichung für die
Bierkundschaft wächst.

KREATIVE BIER-VIELFALT

Wo die Sorten- und Geschmacksvielfalt für Weinfreunde ganz selbstverständlich ist, hat man in der jungen Craft-Bier-Szene noch reichlich Erklärungsbedarf, wie Kathrin Erlebach immer wieder erlebt. War doch die österreichische Bierlandschaft bislang relativ eintönig vom bitteren Nationalgetränk der Großindustrie geprägt: Helles, Dunkles und Weizenbier – damals galten ja schon die ersten Radler als Überraschung. Richtig Schlagzeilen hat Jörg Gartler dann ein Jahr nach der Eröffnung mit seinem Mangalitza Milk Stout gemacht, einem dunklen Stout, das mit einem geräucherten Mangalitza-Schweinskopf eingebraut, rauchig-röstiges Aroma und etliches Staunen hervorbrachte. Aber auch die weniger spektakulär gebrauten Biere aus dem Hause Gartler-Erlebach bringen höchst interessante Geschmacksvielfalt ins Glas. Neben den Standards wie Hausbier (blumig-frische Würzigkeit), Weizentanz (reife Banane, Gewürznelke und ein Hauch Karamellmalz) und Relax-Pils (blumige- kräutrige Almwiese mit Zitrusaromen), machen RotALEchen, ein rötlich-braunes Ale mit Röst- und Karamellmalztönen, Aromen von Dörrobst und tropischen Früchten wie Mango und Grapefruit, und der beliebte Mitzi-Radler, ein flaschenvergorener Craft- Radler auf Weißbierbasis mit Hibiskusblüten, frisch gepresstem Zitronensaft, Ingwer und Kardamom, Lust auf neues Bier.


STOUT
Tiefschwarzes obergäriges Bier, mit hohem Alkoholgehalt
und
intensiv-malzigem Geschmack


BIER TRIFFT WEIN

Die besonderen Kreationen aus der Brauküche erkennt man bereits an ihrem Outfit: Elegante Flaschen, schicke Etiketten und verheißungsvolle Namen wie Impeachment oder Cherry me, für deren Kreation vor allem die Dame des Hauses verantwortlich zeichnet. Beim Inhalt zeigt sich das besondere Fingerspitzengefühl des Braumeisters: Verbraut wird hier etwa mit Muskateller-Trester vom Weingut Julius Klein, Aromahopfen Hallertau Blanc und Styrian Goldings, vergoren mit Saison- und Champagnerhefe (Frizzante war gestern), aromatische Marillen und Pfirsiche mit Saisonbasis nach belgischer Art, vierzehn Monate lang im Holzfass vereint (Impeachment), vollreife Kirschen aus Schrattenthal mit heller Bierbasis nach belgischer Art (Cherry me), ebenfalls vierzehn Monate im Rotwein- Barriquefass aus Unterretzbach gereift oder Zweigelttrauben vom Untermarkersdorfer Bio-Weingut, die mit heller Bierbasis nach belgischer Art (Zweigelthaft) im Barriquefass fünfzehn Monate zur Bierspezialität heranreifen. Allesamt in der Flasche nachvergärt, mit sorgsam ausgeklügelten Hopfen und Hefen kreiert.

Die traditionellen Sauerbiere sind bestimmt nichts für Anfänger. Oder für konventionelle Biertrinker. Sie betören die Nase mit ihrem intensiv fruchtigen Aroma. Und sie sind sauer, aber so richtig. Jedenfalls beim ersten Schluck. Jeder weitere allerdings eröffnet zunehmende Geschmacksexplosionen am Gaumen von den erfrischend-fruchtigen Aromen, die man so eigentlich kaum kennt. Kein Wunder, dass da schon so mancher ein zeitverzögertes Aha-Erlebnis hatte und sie als wunderbare Speisenbegleiter zu gegrilltem Fisch, Scampis oder hellem Fleisch nicht mehr missen mag.


SAUERBIER – BACK TO THE ROOTS
Bier wie einst im Mittelalter gebraut, ist es heutzutage das Resultat einer Spontangärung durch wilde oder obergärige Hefe. Spezielle Bakterien, Früchte und Gewürze sowie eine lange Reifezeit von einem Jahr und länger sorgen bei dieser aufwändigen Brautechnik für das einzigartig aromatische Geschmackserlebnis.


KLEIN & FEIN

Ein junges Unternehmen sammelt Erfahrungen, lernt daraus und entwickelt sich so kontinuierlich weiter. Das ist auch in der Brauküche35 nicht anders. Die Nachfrage an Lohnproduktion für kleine Brauereien war für ein Startup eine gute Auslastung und natürlich auch wirtschaftlich interessant. Die Anfragen häuften sich und schon stand das bierige Duo vor einer neuen Herausforderung: eine gewisse finanzielle Sicherheit durch Lohnarbeit, aber zu wenig Zeit für eigene Projekte. Der jungen Generation unserer Zeit fällt diese Entscheidung scheint’s leichter, als den 80-er und 90- ern. Mutig entschieden sich Kathrin und Jörg für ihren eigenen Traum und stellten sukzessive die Lohnaufträge ein. „Wir wollen keine große Brauerei werden“, erklärt Kathrin Erlebach diese Entscheidung. „Wir wollen eine kleine feine Privatbrauerei betreiben, in der wir unsere Ideen verwirklichen können, und nicht von Wachstumsdruck getrieben sein.“ Chapeau! Zukunftspläne gibt es natürlich dennoch, ebenso wie den Wunsch nach größtmöglicher Unabhängigkeit. Wie gut es sich da trifft, dass Jörg noch Omas Grund und Boden besitzt, der sich gerade in Umstellung auf biologische Landwirtschaft befindet. Damit wollen die beiden künftig ihren Bedarf an Hopfen und Malz selbst decken. Denn für ein kleines Unternehmen ist es gar nicht so leicht, an gute Bio-Rohstoffe zu kommen. „Da gibt es Bio-Hopfenfelder in Österreich, deren Ernte schon lange im Voraus für die Großbrauereien reserviert ist“, erzählen die beiden von den Schwierigkeiten, die das Leben als Micro-Brauerei so mit sich bringt.

BRAU-WIKI LIVE

Wer mehr über das Brauen und seine vielen Facetten erfahren möchte, ist bei einem Braukurs in Schalladorf willkommen und kann hier einen spannenden Tag verleben: Live mit dem Braumeister in der Brauerei von der Malzschrotung bis zum Gärtank mitarbeiten und dabei noch aus erster Hand alles Wissenswerte rund ums Bierbrauen erfahren. Mittagessen, Jause und ein 6er-Tragerl des gebrauten Biers sind ebenso inklusive, wie die Verkostung der verschiedenen Biersorten, die in der Brauküche gerade lagernd sind. Der Braukurs (von 11:00 bis
18:00, € 95) ist übrigens auch ein toller Geschenktipp für das bevorstehende Fest!

Mehr Infos: www.braukueche35.at


Aus der Wein4tlerin Ausgabe 03/20

 

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