Andrea Donnerbauer auf Jakobs Spuren

Für so manchen gibt es im Leben einen Punkt, an dem er innehalten und darüber nachdenken muss, ob das Leben in seinen Bahnen so verläuft, wie es sollte. Manchmal wird dieser Punkt schmerzhaft durch Krankheiten, Trennungen oder andere Schicksalsschläge hervorgerufen. Bei Andrea Donnerbauer war es ›nur‹ die Erkenntnis, dass der Job bei dem großen Parfumeriekonzern einfach nicht mehr mit ihren Werten zusammenpasste. Die Weinviertlerin folgte ihrem Herzen, beendete das langjährige Dienstverhältnis und entschied sich für den schon seit Jahrhunderten erprobten Weg der Erkenntnis. Im Mai 2012 startete sie vom Flughafen Biarritz kommend in Saint Jean Pied de Port ihren ganz persönlichen Camino: Achthundert Kilometer Fußmarsch nach Santiago de Compostela.

»Eigentlich hatte mein Vater immer davon gesprochen, einmal den Jakobsweg zu gehen und ich dachte, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, ihn zu begleiten. Doch zu meiner Überraschung fühlte er sich nun mit siebzig Jahren zu alt dafür«, erzählt Andrea Donnerbauer, die sich da aber mit der Idee schon so angefreundet hatte, dass sie sich kurzerhand entschloss, den Camino de Santiago alleine zu bezwingen.
Drei Söhne von halbwüchsig bis erwachsen und Gatte Wolfgang unterstützten die Merkersdorferin in ihrem Vorhaben, wenngleich sich die Burschen damals nicht vorstellen konnten, dass ihre Mama, die sich in den letzten Jahren nicht sehr oft von ihrer sportlichen Seite gezeigt hatte, dieses Vorhaben überhaupt schaffen würde. »Das hat mich wohl auch angespornt, dass mir die Jungs das nicht so recht zutrauten«, grinst die Pilgersfrau.

Einfach drauflos gehen

Die Vorbereitungszeit verging rasch mit Routenplanung und den nötigen Besorgungen. Allzuviel kam nicht mit auf die aufregende Reise, der Rucksack sollte schließlich nicht zum Handycap werden. Ein paar feste Wanderschuhe und eine zweite Garnitur Kleidung zum Wechseln mussten reichen.

Um mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben startete sie noch daheim einen Blog, dem sie während der Pilgerreise ihre Erlebnisse anvertraute. Und obwohl ihr ein unglaubliches Pensum bevorstand, verzichtete Andrea Donnerbauer auf jegliches Fitnesstraining im Vorfeld. »Es war erstaunlich – ich habe einige Leute kennengelernt, die wochenlang eigens für den Jakobsweg trainiert hatten, denen ging es aber oft schlechter als mir.«

Fünf Wochen lang war die Weinviertlerin weitestgehend beschwerdefrei auf dem Jakobsweg unterwegs, die meiste Zeit davon gemeinsam mit drei weiteren Pilgern. »Das hatte viele Vorteile und war auch gut gegen Einsamkeit. Aber oft habe ich mir auch gewünscht, mehr alleine zu gehen«, gesteht sie. »Doch auch auf den Camino nimmt man seine persönlichen Schwächen mit und zu meinen zählt da eindeutig, dass ich mich nicht so gut abgrenzen kann.«
Immerhin – zwei Tage lang legte sie ihr Tagespensum alleine zurück. Eine Erinnerung, die gut tut, wenngleich die Gemeinschaft mit anderen auch ihre guten Seiten hat. »Gemeinsames Wäsche waschen wird zum Beispiel billiger«, lacht Andrea Donnerbauer.

Dass sie die täglichen zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometer gänzlich untrainiert so problemlos meisterte, obwohl die Wetterkapriolen so manche Tage durch Kälte wie auch Hitze sehr belastend machten, überraschte die diplomierte Farb- und Stilberaterin selbst. Lediglich ein Zwischenfall, der Andrea Donnerbauer sogar ins Krankenhaus führte, blieb ihr in Erinnerung: Eine hartnäckige Form von Hitzeausschlag ließ ihre Beine so schmerzhaft anschwellen, dass an ein Weitergehen kurzfristig nicht mehr zu denken war. Im Krankenhaus riet man neben Injektion und Salbe zu einem Wechsel der Schuhe. »Ich hatte mir Wanderschuhe zugelegt, die über den Knöchel reichten, damit ich nicht umknicke, doch die schnürten meine Füße ziemlich ein.« Zwei Tagesetappen legte Andrea Donnerbauer daraufhin mit dem Bus zurück, um ihre Beine zu genesen. Mit neuem, leichteren Schuhwerk ging es danach weiter, das erwies sich zwar zum Gehen als sehr angenehm, bescherte der Pilgerin aber doch einige Tage lang erstmalig schmerzhafte Blasen, die allerdings die einzigen Blessuren der Pilgerreise blieben.

Herbergsuche

Wer Hape Kerkeling gelesen hat, weiß Bescheid über so manches nette Hotel entlang der Route, doch Andrea Donnerbauer nächtigte ausschließlich in den Pilgerherbergen. Ein Abenteuer für sich: »Manchmal hat man Glück und ergattert ein kleineres Zimmer, aber natürlich erlebt man trotzdem einiges. Radfahrer, die ihr verschwitztes Gewand ungewaschen zum Trocknen aufhängen, zählten zu den weniger angenehmen Erlebnissen. Am schlimmsten war das Schnarchen, wobei das lustigerweise vor allem die Frauen waren«, grinst sie in Erinnerung an eher mühsame Jakobsnächte. In starken Zeiten sind weit über zweitausend Menschen auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Kein Wunder, dass da ein Gerangel um die begehrten Schlafplätze in den Herbergen entsteht. Da nimmt man dann schon einiges in Kauf, wenn man für eine weitere Nacht ein Dach über dem Kopf hat und einen Platz, an dem man seine Wäsche für den nächsten Tag waschen und trocknen kann.

Und wie schafft man untrainiert fünf Wochen lang einen Tagesmarsch von fünfundzwanzig Kilometern? Die Pilgerin lacht: »Ach, das ging überraschend gut. Fixstart jeden Morgen mit zwei Café cortado, Orangensaft und einem Croissant. Und dann einfach losgehen – man hat ja sonst nichts zu tun!«

Auf Sinn-Suche folgt Neustart

In Santiago de Compostela wurde Andrea Donnerbauer von einer großen Demonstration mit viel Lärm empfangen. »Das war weniger schön«, erinnert sie sich an das eher enttäuschende Ende ihrer Pilgerreise. Doch schon im Vorfeld hat sich die Weinviertlerin ein paar weitere Tage zum Ankommen und Nachspüren für sich reserviert. Ganz klassisch hat sie diese Zeit in einem kleinen Hotel am Kap Finisterre, dem ›Ende der Welt‹ verbracht. »Danach kam ich noch einmal nach Santiago zurück und diesmal war es viel stimmiger für mich. Ich war dann auch noch einmal in der Messe und diesmal auch sehr berührt davon.«

Achthundert Kilometer hat Andrea Donnerbauer bewältigt, aber die spirituellen Erfahrungen, spezielle Zeichen oder gar eine Art Erleuchtung blieben ihr verborgen. Ein gutes Gefühl, etwas Großes geschafft zu haben, war vorerst der einzige Lohn für die beschwerliche Reise. Doch rund ein Jahr später ist sich die sympathische Pilgerin nicht mehr so sicher, ob der Jakobsweg für sie wirklich so ›bedeutungslos‹ war.

Denn bei ihren Überlegungen, wie es nun beruflich weitergehen könnte, ergaben sich ganz unerwartete Fügungen. »Erst wurden Erinnerungen an längst vergangene Tage wach, an eine sehr schöne Zeit, die ich hatte, als ich in Wien in einem Trachtengeschäft gearbeitet habe. Und weil Trachten jetzt auch so stark im Trend sind und wir in Retz und Umgebung weit und breit kein solches Geschäft haben, spielte ich mit dem Gedanken selbst eines zu eröffnen«, erzählt sie. Plötzlich ergab sich tatsächlich die Gelegenheit, in bester Retzer Lage ein Geschäft zu übernehmen. Dass sich dann auch alles weitere so schön aneinanderfügte, war ein gutes Zeichen für Andrea Donnerbauer, die nun bereits eifrig in den Vorarbeiten für ihre Eröffnung im März steckt. »Ich glaube heute schon, dass mich der Jakobsweg verändert hat, aber halt nicht so radikal, sondern sanft und fast unbemerkt.« Wer die Weinviertlerin kennt, der sieht es ihr auch an: Voller Kraft und Zuversicht, mit neuem Schwung und geradezu jugendlicher Frische wagt sie sich nun in das nächste Abenteuer. Ein Hoch auf den Camino! 

Ausgabe Frühling 2014
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