Al Bundy aus Retz

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Frauen für schöne Schuhe quasi bis ans Ende der Welt fahren. Wir im Weinviertel ersparen uns große Weltreisen, denn Hollabrunn und Retz liegen meist nur einen Katzensprung entfernt. Doch auch Frauen und Männer aus Wien, Salzburg und Prag reisen für Pumps & Co zu Dietrich „Didi“ Mühlberger in die idyllische Weinstadt Retz.

Wie schafft man es als Einzelunternehmer bloß, sich so einen beeindruckenden Ruf aufzubauen, dass Kunden von nah und fern nach Retz anreisen, und Frauen wie Naddel und Jeannette Biedermann in Hollabrunn ihre Schuhe kaufen? Ein Geheimnis, das wir gerne lüften wollten!
 
Die Antwort auf diese Frage war einfach für den Schuh-Maniac: arbeiten, arbeiten, arbeiten, so sagt Didi Mühlberger und Tochter Sophie, die nach ihrem Schulabschluss ins Unternehmen eingestiegen ist, kann da nur zustimmend nicken. Und gearbeitet wird hier wahrlich quasi rund um die Uhr: Mühlberger shoes & bags war dazumals der erste Betrieb, der seine Tore samstags geöffnet ließ und auch heute, wo vielerorts Geschäfte am Samstag wieder mittags schließen, denken die Mühlbergers nicht einmal dran.
 
Ganz im Gegenteil – bei allerlei Events in Retz, wie etwa dem Weinlesefest oder dem Advent Drunter & Drüber kann man hier schon mal auch am Sonntag offene Türen finden! Denn für Didi Mühlberger, der bei Familie Friedl in Retz in seiner Lehrzeit durch eine sehr gute Schule ging, steht der Kunde und dessen Zufriedenheit an oberster Stelle.
 
Was heute im Geschäftsleben oft verloren zu gehen droht, ist hier im Retzer Schuh-El Dorado stark spürbar: Die Dankbarkeit, dass Kundinnen und Kunden hierher kommen, um sich mit modischem Schuhwerk und den passenden Accessoires einzukleiden. Und diese Dankbarkeit äußert sich eben unter anderem auch in Öffnungszeiten, die in erster Linie nicht für die Inhaber, sondern für die Kunden bequem sind.
 
Wie bei vielen Traditionsbetrieben ist ein Erfolgsfaktor auch hier der gute Zusammenhalt der Familie: Während Dietrich Mühlberger in Retz stationiert ist, führt Gattin Annemarie das Hollabrunner Geschäft, Sophie und ihr Lebensgefährte Niklas pendeln dahin, wo helping hands benötigt werden. Und zwar mit vollem Einsatz.
 
Gerade von der zierlichen Juniorchefin, die mit ihren riesigen blauen Augen und ihrer unglaublichen Wandelbarkeit für die Werbelinie des Unternehmens immer wieder modelt, vermuten viele, dass sie es sich als Nachfolgerin im goldenen Käfig gemütlich macht. Weit gefehlt! Sophie hat in ihrem Auto immer alte Jeans und Gummistiefel parat, um Hand anzulegen, wo es nötig ist. „Egal ob das Klo geputzt oder nach dem Weinlesefest verdreckte Auslagen gewaschen werden müssen“, erzählt Papa Mühlberger von der bedingungslosen Einsatzfreude seiner Tochter, die die Eltern aber auch bald fünfundzwanzig Jahre lang vorgelebt haben.

Kindergarten Schuhgeschäft

Gestartet haben Dietrich und Annemarie Mühlberger 1984 mit einem kleinen Schuhgeschäft in Retz, das sie von Verwandten gekauft hatten. 1992 – kurz vor Sophies Geburt – wurde dann in der Hollabrunner Bahnstraße ein kleines Geschäft eröffnet. „Das war wirklich in keinem guten Zustand“, erinnert sich der Weinviertler Schuhhändler an schwere Zeiten zurück. „Die erste Angestellte, die wir damals hatten, weil ja das Baby unterwegs war, hat sich am dritten Arbeitstag beim Rollerskaten den Fuß gebrochen und war danach monatelang im Krankenstand. Also musste Annemarie selbst mit dem Säugling im Geschäft sein.“ Dick in Lammfell eingepackt lag Baby-Sophie da im eiskalten Februar in ihrem Kinderwagen, denn Heizung gab es damals im Geschäft nämlich keine.
 
Lange suchten Mühlbergers nach einer besseren Lösung, doch erst vier Jahre später fand sich endlich am Hauptplatz 12 ein freies Geschäftslokal, in das Annemarie Mühlberger übersiedeln konnte. Quasi zusammen mit Sophie, denn „ich bin eigentlich im Geschäft groß geworden!“ Hier ist die Erstgeborene mit ihrem Babyscooter zwischen die Schuhregale gesaust, hat gelernt, Maschen zu binden, und sogar Fahrrad zu fahren. Sophie lacht und hat nur gute Erinnerungen an diese fröhliche Zeit, immer nahe bei ihren Eltern und unter freundlichen Kunden.
 
Kaum schien alles in guten Bahnen zu verlaufen, ereilte die junge Familie ein herber Schicksalschlag bei der Geburt ihrer zweiten Tochter Marie. Ein längerer Krankenhausaufenthalt setzte Annemarie Mühlberger damals außer Gefecht und Didi musste sich alleine um die beiden Geschäfte und die damals fünfjährige Sophie kümmern. „Diese Zeit hat uns sehr zusammengeschweißt“, erinnert sich Sophie zurück und der Papa nickt.
 
 
Und sie ist wohl auch mit ein Grund, weshalb bei Mühlbergers die Familie so hohe Priorität hat. „Wir brauchen keine Karibikreisen und keine Yacht – für uns ist es das Schönste, wenn wir Zeit für unsere Familie haben.“ Und bei dem hohen persönlichen Einsatz für die Firma bleibt dafür ohnhin nicht allzu viel Gelegenheit. Deshalb legen alle Familienmitglieder auch ganz viel Wert auf die tägliche quality time beim gemeinsamen Abendessen.

Gutes tun

Die Dankbarkeit darüber, dass Mama und Baby damals letztlich wohlbehalten und gesund heimkehren konnten, hat ihre Sinne dafür geschärft, dass Gesundheit ein kostbares Gut ist und keine Selbstverständlichkeit. Seit Jahren unterstützt die Familie deshalb unter anderem den Diversity Ball, aber auch die älteren Familienmitglieder werden hier ganz selbstverständlich zu Hause gepflegt. Ein Pflegeheim ist bei Mühlbergers überhaupt keine Option, auch wenn es bestimmt einfacher für die Unternehmerfamilie wäre.
 
Wer Didi und Sophie nur von schillernden Werbeaussendungen oder unserem Wintercover kennt, vermutet oft dahinter ein Schicki-Micki-Leben und ist überrascht, wie bodenständig und vergleichsweise anspruchslos sie leben.

Beständig trendig

Glamourös hingegen ist das Angebot an Schuhen, Taschen und Accessoires, das die Familie Jahr für Jahr von den internationalen Modemessen ins Weinviertel bringt. Selten findet man ein derart breitgefächertes Sortiment, das für wirklich jeden Geschmack und Stil so große Auswahl bringt. Ein Geheimrezept, das hier über Jahrzehnte hin Stammkundschaft bewahren kann. Vom ältesten Retzer bis zu ganz jungen Mädchen und Kindern, von Burgschauspielern bis zu den Reinigungsdamen der Stadtgemeinde zählen ganz unterschiedliche Frauen und Männer zur Kundenschar im Hause Mühlberger. Eines haben sie aber alle gemeinsam: Sie schätzen die familiäre Atmosphäre und das freundschaftliche Verhältnis, das da in einem der letzten inhabergeführten Schuhgeschäfte gepflegt wird, die fairen Preise und die Vielfalt im Angebot.

Da passiert es dann nicht selten, dass Kunden Souvenirs aus dem Urlaub mitbringen, zu Weihnachten Geschenke überreichen, an heißen Sommertagen nach ihrem Einkauf nochmals zurückkommen und Eis für die ganze Belegschaft bringen und fröhliche Grußkarten von ihren Reisen schicken – ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Kundschaft es auch heute noch wertschätzt, wenn sie beim Einkaufen königlich behandelt wird. Und das ist vermutlich das größte Erfolgsgeheimnis der Familie Mühlberger.

Winter 2016
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