Von Unterretzbach nach Ecuador

Für fremde Länder hat sich Birgit Zuckriegl schon immer interessiert und weil sie diese abseits ausgetretener Touristenpfade in typischer Alltäglichkeit erfassen wollte, kam der Pädagogin die Idee eines Volontariats in Ecuador gerade recht. In ihrer Geschichte lässt sie uns einen Blick auf das Leben der Kinder in Stadt und Land werfen.

Eine Geschichte von Birgit Zuckriegl

 

„Mit Unterstützung von Eine Welt Arbeit, jener Teilorganisation von Jugend Eine Welt, die Freiwilligeneinsätze für Erwachsene organisiert, bekam ich die Möglichkeit, den langgehegten Traum eines Volontariats in einem fremden Land zu verwirklichen. Voller Neugier und Erwartungen landete ich im Juni 2014 in Quito, Ecuador.

In diesem Land gibt es zahlreiche Projekte des Ordens der Salesianer Don Boscos, die das Ziel verfolgen, dass es im Land keine arbeitenden Kinder sowie keine Straßenkinder mehr geben soll. Bereits in meiner einwöchigen Eingewöhnungsphase in Quito konnte ich feststellen, wie viele Kinder hier als Unterstützung zum Familieneinkommen Schuhe putzen oder Waren auf der Straße verkaufen.
Meine erste Projektstation war „La Granja“ in Ambato, einer Stadt inmitten der ecuadorianischen Anden. Hier leben auf einem großzügigen Gelände etwas außerhalb der Stadt 23 ehemalige Straßenkinder, die aufgrund ihrer schwierigen familiären Verhältnisse von Zuhause ausgerissen sind. Entlang eines Weges befinden sich hier auf beiden Seiten kleine Häuser, in denen alles Notwendige zu finden ist: Schlafräume, Sanitäranlagen mit Duschen und Toiletten, Küche mit Speisekammern, Büros, Räumlichkeiten zur schulischen Förderung, ein Spiel- und Fernsehsaal und Räume für die Volontäre. Weiters gibt es einen großen Fußballplatz, einen Basketballplatz und rundherum einige Felder, die landwirtschaftlich genutzt werden – also genügend Freiraum für die ehemaligen Straßenkinder, um sich auszutoben.

ecuador3Ich wurde sehr herzlich aufgenommen, von den Burschen mit großer Neugier begutachtet und mit Fragen gelöchert. Meine Aufgaben waren die Unterstützung beim Kochen und der Essensverteilung, bei der Hausaufgabenbetreuung und natürlich gab es auch genügend Zeit für gemeinsames Spiel. Manchmal kam es zu Streitigkeiten und Prügeleien, die es dann zu schlichten galt. Oder einer der Burschen flüchtete zurück auf die Straße und musste gesucht werden.

Mit der Zeit und besseren Spanischkenntnissen lernte ich jeden Einzelnen näher kennen und viele erzählten mir ihre Geschichte: Von den Problemen in der Familie, die oft mit Gewalt, Vernachlässigung, Alkohol- und Drogenkonsum einhergehen – berührende Momente, die mich sehr nachdenklich machten. Besonders traurig fand ich die Geschichte von Pedro, der in sehr jungen Jahren von zu Hause ausgerissen ist und sich in verschiedenen Städten in Ecuador auf der Straße durchgeschlagen hatte, bis er in einem Projekt des Ordens der Salesianer Don Boscos eine Bleibe fand. Es war ein Versuch unternommen worden, seine Familie zu finden, doch als der Junge mit einem Erzieher in die Gegend gefahren war, wo seine Familie lebte, konnte sich Pedro nicht mehr an seine Ortschaft erinnern. So  gab es keine Möglichkeit, ihn wieder heimzubringen.

Tagsüber kümmert sich ein Team aus verschiedenen Professionen um die Angelegenheiten der Jugendlichen. Ein Sozialarbeiter versucht, ihre Familien ausfindig zu machen und abzuklären, ob eine Rückkehr – eventuell nach einigen Veränderungen in der Familiendynamik oder der Lösung anderer Probleme – möglich ist. Dabei arbeitet er eng mit einer Psychologin zusammen, die mit jedem Burschen wöchentlich eine Stunde über aktuelle Themen und Probleme in und mit der Familie spricht. Eine Erzieherin gestaltet das Tagesprogramm für die Burschen.

Doch besonders während der Abendstunden, an Wochenenden oder in der Ferienzeit, wenn nur ein Erzieher anwesend ist, kommt es immer wieder zu Streit, Übergriffen und manchmal auch zu Diebstählen oder Ausbrüchen. Man kann sich gut vorstellen, dass die alleinige Verantwortung des Erziehers für 23 sozusagen schwer erziehbare Burschen eine sehr herausfordernde, aufopfernde Aufgabe ist. Eine sehr intensive Erfahrung für mich, die mir auch in pädagogischer Hinsicht viele neue Erkenntnisse ermöglichte.“

Das Projekt PACES in Cuencaecuador4

„Nach zwei Monaten bekam ich die Möglichkeit, noch ein anderes Projekt des Ordens der Salesianer Don Boscos kennenzulernen. Seit Anfang September bin ich nun in Cuenca, der drittgrößten Stadt von Ecuador. Hier werden im Rahmen des Projekts PACES Kinder und Jugendliche aus armen Verhältnissen in verschiedenen Zentren unterstützt, indem sie ein Mittagessen bekommen und gemeinsam die Hausaufgaben gemacht werden. Außerdem gibt es Spiele für die Kinder und es werden gemeinsame Freizeitaktivitäten organisiert.

Diese Zentren sind in der Nähe von Markthallen angesiedelt, da die meisten Eltern dort arbeiten, was den Kontakt zu den Familien erleichtert. Leider ist es oft so, dass die Eltern erst davon überzeugt werden müssen, wie wichtig es für die Kinder ist, dass sie regelmäßige und ausgewogene Nahrung sowie Unterstützung bei den Hausaufgaben bekommen.

Im Unterschied zu „La Granja“ in Ambato leben diese Kinder in ihren Familien, wobei es auch hier häufig vorkommt, dass die Kinder geschlagen werden, viel arbeiten müssen und keinerlei Unterstützung erhalten, beispielsweise in schulischen Belangen. Daher gibt es auch immer wieder Angebote für Eltern, wie Gespräche mit Sozialarbeitern, Besuche in den Familien, Informationsabende, in denen Eltern Gelegenheit erhalten, über ihre Probleme mit den Kindern zu sprechen, über die Rechte von Kindern aufgeklärt werden sowie Unterstützung erhalten. Vom Team wird diese Arbeit auch als Prävention gesehen, damit Kinder aus schwierigen Familien nicht zu Straßenkindern werden.

In Cuenca habe ich die Unterschiede zwischen der Armut auf dem Land und der Armut in einer großen Stadt kennengelernt. Auf den ersten Blick fällt dies in der Stadt meist nicht gleich auf. Doch wenn eine Jugendliche davon berichtet, dass sie ihre Schuhe seit drei Jahren hat und erst neue bekommt, wenn diese endgültig kaputt sind, dann stimmt mich dies in Hinblick auf unser westliches Konsumverhalten doch sehr nachdenklich. Viele der Kinder haben oftmals nicht einmal die notwendigen Schreibutensilien für die Schule wie Bleistift, Radiergummi und Kugelschreiber, die sie sich regelmäßig von uns leihen.“

Rückblick

Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich die Entscheidung für ein Volontariat in Ecuador überhaupt nicht bereue. Ich empfinde die Zeit hier als eine Bereicherung, wobei ich vermutlich noch gar nicht alle Facetten erfassen kann. Ich bin beeindruckt von der Herzlichkeit und Offenheit der Menschen hier, die Arbeit mit den Kindern bereitet mir trotz mancher Anstrengungen sehr viel Freude und ich habe Einblicke in das Leben und die Kultur von Ecuador erhalten, die den meisten Touristen verwehrt bleibt. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar.

So gegensätzlich diese beiden Projekte auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, zielen doch beide auf die Förderung der Rechte und ein glückliches, gewaltfreies und respektvolles Leben von Kindern ab. Ich habe hier von einigen erschütternden Kinderschicksalen gehört und gesehen, wie viel Kinder hier arbeiten müssen und wie Menschen in wirklich armen Verhältnissen mit mehreren Personen in nur einem Raum ohne WC leben, ohne ausreichender Nahrung, oftmals mit nur ein oder zwei Garnituren Kleidung. Trotz allem sind diese Kinder oft so fröhlich und unbeschwert, offen und neugierig.

Ich und vor allem die Kinder würden uns sehr freuen, wenn Sie die Projekte des Ordens der Salesianer Don Boscos für benachteiligte Kinder in Ecuador mit einer Spende unterstützen: Spendenkonto: „JUGEND EINE WELT – Don Bosco Projekt Eine Welt Arbeit“ IBAN: AT47 2011 1822 3655 7802 BIC: GIB AAT WWXXX – steuerlich absetzbar!

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.