Großes Comeback: Verjus

Was für uns heutzutage völlig neu erscheint, hat eine lange Tradition, die bis ins Römische Reich und ins alte Ägypten zurückreicht. Verjus fand sich nicht nur in den Küchen dieser Welt vom Orient bis nach Deutschland, sondern er war sogar als Heilmittel sehr beliebt. Innovative junge Winzer sorgen heute für seine Wiederauferstehung.

ERZÄHLT VON LILLY DIPPOLD

 

Was früher am Boden verrottete oder entsorgt wurde, findet heute seinen Weg als Verjus in die Flasche: Saft von unreifen Weintrauben, gepresst, pasteurisiert und abgefüllt. In der Haute cuisine ist er nicht nur in Frankreich ein Begriff und auch in orientalischen Ländern ist der Agrest (oder Agresto, wie der Italiener zu sagen pflegt) beliebtes Würz- und Kochmittel.

ZWISCHEN WEIN, ESSIG UND ZITRONE

Geschmacklich ist Verjus zwischen Essig und Zitrone angesiedelt und findet auch dementsprechende Verwendung. Schon früh war der Grüne Saft wegen seiner milden Säure und seiner magenschonenden Wirkung anstelle von Essig beliebt.

Auch am Weingut Schober wird fleißig mit Verjus gekocht und statt Soda-Zitron wird hier Verjus g’spritzt kredenzt – ein erfrischendes alkoholfreies Getränk mit angenehm leichter Säure und dem zart-fruchtigen Geschmack der frühen Trauben. „Wir marinieren Salate mit Verjus, verfeinern Fischgerichte und Saucen damit. Eigentlich überall, wo wir Essig oder Zitrone ersetzen würden“, so die Damen des Hauses unisono.

Samuel Hahnemann empfahl Verjus 1787 zur Erhöhung des Geschmacks von Speisen,
aber auch in Apotheken war er zu finden.

ZUCKER- UND HISTAMINFREI

Am Weingut Schober erfreut sich der Verjus (sprich: wärschüü) schon großer Beliebtheit unter den Gästen. Autofahrer sind froh über die Alternative zum süßen Traubensaft und dem oft allzu saurem Soda-Zitron. Agrest, wie Verjus auf gut deutsch heißt, ist da nicht nur die goldene Mitte, sondern auch vegan, zucker- und histaminfrei, was ihm eine weitere Zielgruppe eröffnet.

Wer aber jetzt denkt, dass der ›Saft von unzeitigen Beeren‹ nur ein milder Ersatz für Essig oder Zitrone ist, unterschätzt ihn. Denn sein spezielles Potential liegt vor allem in seinem hohen Anteil an natürlicher Weinsäure, die für eine deutliche Geschmacksverstärkung verantwortlich ist, eben genau jene ›Erhöhung des Geschmacks‹, von der der berühmte Homöopath Samuel Hahnemann bereits 1787 schwärmte. Dass Verjus gegenüber Wein etwa das Dreifache an Weinsäure enthält, macht das Würzmittel in der Küche sparsamer und wirkungsvoller als Wein selbst, weshalb er auch in alten Rezeptüberlieferungen aus dem 15. Jahrhundert so häufig zu finden ist.
Zunehmend aus der Küche und den Apotheken verdrängt, wurde der grüne Traubensaft erst im Laufe des 19. Jahrhunderts von Pharmazeutika, billigem Industrieessig und preiswerten Massenimporten von Zitronen. Letztlich fiel er aber auch seiner vergleichsweise begrenzten Haltbarkeit zum Opfer und verschwand so innerhalb nur eines Jahrhunderts nicht nur aus den Kochbüchern und Heilrezepturen, sondern vor allem aus dem Sprachgebrauch und damit aus den Köpfen Europas.

Wenn Familie Schober am 6. und 7. August die Heurigentische wieder mitten im Weingarten aufstellt, bietet sich eine gute Gelegenheit Verjus zu verkosten. Vom 14. Oktober bis 1. November ist ausg’steckt am Weingut, wo man die Verjus-Spezialitäten des Hauses wie hausgemachtes Blunz’n Carpaccio mit Rucola-Pesto und Verjus-Spießchen auch am Teller kennenlernen kann.

MODERNE RENAISSANCE

Dem wachsenden Bewusstsein, nicht nur rund um Ernährung und Lebensmittel, sondern auch im Weinbau, verdanken wir nun die Wiederauferstehung von Verjus. Wir haben vom Weingut Schreiber einige Rezepte für Sie mitgebracht, mit denen Sie sich auf die kulinarischen Spuren unserer Vorfahren begeben können. Verjus finden Sie ab Hof am Weingut Schober und online auf www.weingut-schober.at.

Aus der Wein4tlerin Sommer 2016

Das könnte dir auch gefallen
Hinterlasse eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.