Ein E-xperiment

Seit Jahren verfolge ich die Entwicklungen am Sektor der E-Mobilität. Als umweltbewusster Mensch fühle ich mich zu Elektroautos hingezogen, als leidenschaftliche Autofahrerin bin ich immer noch skeptisch und als berufstätige Frau mit vollem Terminkalender schiebe ich das Thema – mit einem schmachtenden Seitenblick auf die (für mich unerschwinglichen) Tesla-Modelle – wieder einmal beiseite.

ERZÄHLT VON LILLY DIPPOLD

 

Aber letztlich geht Probieren über Studieren und ein richtiges Urteil kann man sich schließlich erst bilden, wenn man weiß, worüber man spricht. Also habe ich mich diesmal für den Wein4tlerin-Test hinter das Steuer von zwei unterschiedlichen Elektromobilen gesetzt, um auszuprobieren, wie viel sich in meinem Alltag verändern müsste, wenn ich mich für E-Mobilität entscheiden würde.

DIE HALBE WAHRHEIT: HYBRID

Sicherheitshalber starte ich den E-Check mal auf Halbmast mit dem BMW 2er Active Tourer, einem so genannten Hybrid-Modell, das sowohl mit Benzin-, als auch mit Elektromotor fährt. Ein beruhigendes Gefühl jedenfalls, dass mich das Autofahren nicht gänzlich ausbremsen wird, wenn mir der Strom ausgeht. Mit 224 PS fährt sich der schneidige Bayer ganz nach meinem Geschmack sehr dynamisch.
Seine Motorleistung entsteht durch das Zusammenspiel des kraftvollen TwinPower Turbo Benzinmotors (136 PS) auf der Vorderachse und dem effizienten eDrive Elektromotor (88 PS) auf der Hinterachse, die sich in den drei unterschiedlichen Antriebsmodi Sport, Comfort und Eco Pro  dem Fahrstil und der Situation anpassen, und den Kompakt-Van damit zu einem elektronischen Allrad-Fahrzeug machen.

Ein ›Van-Gefühl‹ vermittelt mir der BMW ehrlich gesagt gar nicht, auch wenn er äußerst geräumig ist und ich erfreulicherweise meine Handtasche nicht mühsam zwischen Beifahrersitz und Handschuhfach auf den Boden quetschen muss. Auch im Fond ist bequem Platz für die Mädels, die ich auf meiner Testfahrt gleich von der Schule abhole. Der Zweier hat aber eben genau die sportlich-elegante Note, die ich mir von einem BMW erwarte.

Die angegebene Reichweite von rund 40 Kilometern rein elektrischer Fahrt im MAX eDrive-Modus beruhigt mich, denn auf meinem Weg von Korneuburg nach Großrußbach schaffe ich das spielend. Doch schon kurz nach Harmannsdorf-Rückersdorf erlebe ich meine erste E-Überraschung: Die Steigung der Bundesstraße lässt die Akku-Anzeige bedenklich rasch schrumpfen. Eigentlich ja logisch, denn die Physik gilt hier natürlich genauso wie bei Verbrennungsmotoren.

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In weniger als vier Stunden ist der BMW 2er Active Tourer an der 220-Volt-Haushaltssteckdose wieder voll elektrisch aufgeladen.

Wie gut, dass der Active Tourer im Save Battery-Modus auch rein vom Benzinmotor angetrieben werden kann und dabei sogar die Bremsenergie im Akku für später speichert. So komme ich ohne flaues Gefühl im Magen gut zu Hause an, wo gleich das nächste E-Abenteuer auf mich wartet: Hochmotiviert stecke ich das Ladekabel in die Buchse, während gleichzeitig bei uns im Garten mit der elektrischen Kreissäge gearbeitet wird. Schwupps – schon fliegt der FI-Schalter und beschert unserer USV-Batterie einen Alarm-Einsatz. Ein späterer Zweitversuch gelingt allerdings dann völlig unproblematisch und in weniger als vier Stunden an der 220-Volt-Steckdose steht der BMW wieder voll aufgeladen zur Verfügung.

Erfreuliche Erkenntnis erwartet mich auch tags darauf, als ich zu einem morgendlichen Termin in Korneuburg auf Parkplatzsuche bin. Denn dort steht am Hauptplatz eine Stromtankstelle von A1 – übrigens die erste mit Photovoltaik in Niederösterreich – mit eigenem Parkplatz zur Verfügung. Parkplatz-Problem gelöst und gleichzeitig auch die Möglichkeit, dem Akku wieder mehr Energie zu verschaffen. Ein bisserl patschert hantiere ich mit dem Schnelladekabel, das gerade noch bis zur Steckdose reicht. Wer A1-Kunde ist, kann die Stromtankstelle unkompliziert über sein Handy freischalten – ich musste meinen Mann dazu bitten, was aber ebenfalls problemlos funktioniert und bislang auch noch mit keinen Kosten verbunden war. Erstes Fazit: Stressfreies, umweltschonendes Fahrvergnügen vom Feinsten.

Ermutigt durch den fröhlich-unkomplizierten Hybrid-Test
wage ich mich an echtes E-rleben heran.
Die Spannung steigt …

 

GANZ ODER GAR NICHT

Wer 100 Prozent E-Mobility im leistbaren Rahmen sucht, kommt an Renault nicht vorbei, denn die Franzosen haben – neben Tesla natürlich – die Nase vorn in diesem Segment. Mit dem Renault ZOE Intens R240 (von ›zero emission‹) starte ich von Gänserndorf aus in das nächste Elektro-Abenteuer. Diesmal mit deutlich mehr Bauchkribbeln, denn jetzt habe ich keinen Verbrennungsmotor als Sicherheitsnetz. Dafür stehen mir aber laut Werksangabe mindestens beruhigende 115 Kilometer (bei winterlichen Bedingungen) Reichweite zur Verfügung, je nach Fahrstil und Streckenprofil.

Beeindruckend der erste Blick: Der kleine Spatz – durch die Batterie an Bord allerdings mit 1503 Kilo leer beileibe kein Leichtgewicht – mit einladend bequemem Cockpit, öffnet die Türen mit Handsfree Keycard und startet auf Knopfdruck. Und zwar so geräuschlos, dass ich trotz Vorwarnung nicht sicher bin, ob sich da schon etwas tut. Auch der zweite Eindruck macht Spaß: Weil ich so leise wie in einem Science Fiction-Film durch die Straßen rolle, drehen sich viele Passanten erstaunt nach dem Zoe um. E-Mobility ist offensichtlich noch nicht zum alltäglichen Anblick geworden. Oder die Sympathiebekundung der schmunzelnden Passanten betrifft das liebenswürdige Gesicht des Zoe, der sich wie selbstverständlich fährt und mit seiner Reaktionsfreude Spaß macht: Von Null weg steht beim Elektromotor die ganze Energie kraftvoll zur Verfügung. Gewöhnungsbedürftig, aber für mich als Autofahrerin mit Leidenschaft sehr erfreulich! Gleichzeitig bin ich erstaunt, wie sehr das fehlende Motorengeräusch beim Fahren entspannt, selbst die Gangwechsel entfallen im Zoe. Fahrgefühl ganz neu!

Schon auf der Fahrt nach Großrußbach zeigt sich, was ich schon vom BMW Active Tourer kenne: Steigungen fressen Akkuleistung, ich fahre lieber ein wenig gemütlicher und versuche mit dem Strom so gut wie möglich hauszuhalten. Ich mag schließlich keine unliebsamen Überraschungen heraufbeschwören! Und ich erkenne: E-Mobility chillt!

Der Fünfsitzer wird von einer Lithium-Ionen-Batterie angetrieben, die beim Kauf allerdings nicht im Wagen inkludiert ist. Je nach geplanten Jahreskilometern und Mietdauer ist für die Batterie eine monatliche Mietgebühr zu berappen (ab € 49). Der Vorteil: Das Batterierisiko entfällt – verliert die Batterie an Leistung, wird sie von Renault getauscht, auch über die Entsorgung muss man sich keine Gedanken machen.

Der Zoe bringt eine Dauerleistung von 59 PS, wobei er für kurzfristige Spitzenleistungen gar 88 PS zur Verfügung stellt, die man aber – je nach bevorstehender Wegstrecke – sicherheitshalber sparsam einsetzt. Auch Klimaanlage, Licht und Heizung wirken sich auf den Stromverbrauch aus und wollen gut einkalkuliert werden. Im Eco-Mode reduziert das E-Car selbstständig Fahrleistung, Heiz- und Klimasystem, um die Reichweite optimal zu nützen.

Auf Komfort wie TomTom-Navigationssystem, elektrische Fensterheber, Rückfahrkamera, elektrisch verstellbare Außenspiegel, Klimaautomatik mit Wärmepumpe, Bluetooth-Freisprecheinrichtung und Entertainment-Zentrale muss man im Zoe nicht verzichten und Renault R-Link zeigt mittig am Armaturenbrett nicht nur den Ladezustand und die Reichweite an, sondern praktischerweise auch gleich Ladestationen an.

Voll aufgeladen ist die Batterie übrigens innerhalb von sechs bis zehn Stunden, mit beschleunigter Ladung in zwei bis drei Stunden und in knapp dreißig Minuten bis einer Stunde (je nach Motorvariante) kann man per Schnellladung 80 Prozent Akkuleistung erreichen. Auch der Zoe lädt seine Batterie beim Fahren mittels Bremskraftrückgewinnung auf, da bekommt man zum Bremsen plötzlich einen ganz neuen Zugang, wenn man am Display zusehen kann, wie sich die Batterie wieder ein wenig auflädt.

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MEIN E-FAZIT

Das Fahren mit dem Renault Zoe gibt mir ein richtig gutes Gefühl – keine Emissionen, entspanntes Fahren und im Sinne der Schonung unserer Umwelt fahre ich eben ein wenig langsamer und ökonomischer als sonst. Wäre da nicht mein Berufsleben, das mich an manchen Tagen von einem Termin zum anderen führt, sodass sich da schon mal ein paar hundert Autokilometer zusammenläppern.
Mehrere stundenlange Stopps wären da an Ladestationen nötig, um solche Zeiten zu bewältigen. Natürlich gibt es auch ruhigere Tage, an denen ich nur einzelne kurze Strecken absolviere, die gut mit einer Wagenladung Strom verträglich wären.

Das Leben muss wohl gut geplant sein mit einem Elektroauto, denn Spontaneität kann einem da schon mal zum Verhängnis werden. Wem der ›Sprit‹ im Elektroauto ausgeht, der kann sich nur noch abschleppen lassen. Auch Urlaubsreisen müssen mit dem reinen Elektrofahrzeug gut vorbereitet und entsprechende Ladepausen einkalkuliert werden, was ja andererseits auch sehr entschleunigend sein kann!

Ideal erscheint mir beim aktuellen Stand der Technik das reine Elektrofahrzeug für Pendler, die während ihres Arbeitstags den Wagen für die Heimfahrt aufladen können, für Mütter, deren Fahrtwege im nahen Umfeld zu Kindergarten, Musikschule, Sportkurs und zum Einkaufen führen. Da könnte ich mir das Leben mit dem E-Car richtig gut vorstellen. Auch im reinen Stadtverkehr und als Zweitauto für Kurzstrecken wäre E-Mobility für mich absolut denkbar. Für Menschen mit meinem Berufsalltag hingegen ist die Hybrid-Lösung einfach besser geeignet. Auf Kurzstrecken kommt man damit auch im reinen Elektromodus sauber voran und hat auf längeren Fahrten ebenfalls zwischendurch immer wieder Gelegenheit dazu.

Nach dieser neuen E-rfahrung fällt mir auf, dass es auf Parkplätzen von Einkaufszentren und in Parkhäusern schon häufig Ladestationen gibt – E-Mobilität ist mit Sicherheit ein Thema, das auf mehreren Ebenen ein Umdenken und neue Gewohnheiten erfordert. Und wenn einem ein Ladestop eine Kaffeepause zwischendurch beschert, hat das ja auch durchaus seine Vorteile!

Aus der Wein4tlerin Sommer 2016
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